Zitronentagetes
Colorado, zum Skifahren und Rodeln.
»Hier ist nicht mal Schnee. Nur weil wir kein Geld haben, können wir nicht in die Winterferien fahren. Wenn du bei Daddy geblieben wärst, hätten wir Geld.«
Seine Worte versetzten ihr einen Stich. Immerhin hatte sich Val die Mühe gemacht, seinem Sohn einen nigelnagelneuen Baseballhandschuh zu schicken.
»Gefallen dir die Geschenke nicht?«
»Doch.« Kevin lag im Wohnzimmer auf dem Teppich und zog die Nackenrolle unter seinem Kopf hervor. Sie hatte sie eigens für ihn genäht. Niemand auf der ganzen Welt hatte haargenau die gleiche. »Echt cool. Aber musstest du unbedingt lauter Herzen draufnähen? Ich bin doch kein Mädchen.«
»Na ja …«
»Ich weiß schon. Du meinst es schließlich gut. Wie alle Mütter.«
Sie verkniff sich ein Lachen. »Habt ihr über die Feiertage Hausaufgaben auf?«
Kevin nahm die Fernbedienung zur Hand und zappte sich durch die Fernsehprogramme.
»Hallo, Mr. Usher, ich rede mit dir.«
»Es ist Weihnachten«, antwortete Kevin gedehnt.
»Eben fandest du es noch öde und langweilig.«
»Du verstehst nichts.«
»Ach ja, meinst du. Ich verstehe mehr als du denkst.«
»Nähst du dir auch noch eine Nackenrolle?« Wie gut der Bengel es verstand, vom eigentlichen Thema abzulenken.
»Ja, ich möchte eine für mein Bett.«
»Die müsste vielleicht aus Blumenstoff sein.«
Verblüfft musterte Flo ihren Sohn. »Wie kommst du denn darauf?«
»Nur so, weil du doch Blumen so liebst. Immerhin liest du das ganze Zeugs über Pflanzen.«
»Ich freue mich schon sehr auf das Frühjahr, dann kann ich im Garten richtig loslegen.«
»Schön, dass wir jetzt hier wohnen können, hm?« Kevin sah sie an.
»Absolut. Gefällt es dir auch?«
»Ja. Nur schade, dass unsere Familie so klein ist.«
»Das ist sie gar nicht.«
»Schon, aber ich kenne niemanden außer Dad und Grandma Usher in Washington. Die anderen aus Deutschland habe ich noch nie gesehen.«
»Das holen wir später nach.«
»Meinst du das ernst?«
»Natürlich. Hast du Appetit auf Plätzchen?«
»Klar, und Kakao.«
»Dann machen wir uns welchen. Kommst du mit in die Küche?«
Kevin trabte ihr hinterher. »Wie geht’s Marc?«
Sie seufzte leise. »Ich fürchte, nicht so gut.«
»Ist doch Scheiße, dass ihm das passiert ist. Sag mal ehrlich.«
»Das ist es.«
»Wollen wir ihn morgen im Krankenhaus besuchen und ihm ein paar leckere Plätzchen bringen? Bestimmt freut er sich dann ein bisschen. Was meinst du?«
Wärme durchflutete Floriane, und die kam nicht vom heißen Kakao. Ihr Junge hatte das Herz auf dem rechten Fleck.
*
Elizabeth beobachtete ihren Mann. Josh genoss das Weihnachtsfest im Kreise derer, die er liebte. Auch wenn die Feier auf Tanner House nicht ungetrübt war. Der Tod seines Schwagers, insgeheim gingen sie beide davon aus, dass Jaques nicht mehr am Leben war, und Vickys Fehlgeburt hatten Spuren hinterlassen. Seine Schwester war erschreckend dünn geworden, und sie entzog sich ihnen allen immer mehr. Josh hätte ihr so gern geholfen, aber er wusste, dass er das nicht konnte. So oft er ihr zu verstehen gab, ein guter Zuhörer zu sein – es war umsonst. Vicky sprach kein einziges Wort. Zu niemandem, der mehr als fünfzig Zentimeter maß.
Liz wusste auch, dass er sich genauso sehr um sie sorgte. In letzter Zeit war sie sehr müde. Vielleicht hätte er sich nicht so sehr ein zweites Kind wünschen sollen. Er machte sich deshalb Vorwürfe. Ihre Schwangerschaft verlief gut, aber sie arbeitete einfach zu viel. Kein Wunder, wenn der Patient ihrer beider bester Freund war. Sie hasste es, wenn ihr Grenzen gesetzt waren , und bei Marc stieß sie gegen eine solche. Josh hatte schon seine Schwierigkeiten damit, den Unfall und dessen Folgen zu akzeptieren, für Marc jedoch würde sich vieles im Leben ändern. Josh hatte ihn dreimal in der Klinik besucht, war aber nie allzu lange geblieben. Marc war jedes Mal so erschöpft gewesen, dass er nach kurzer Zeit einfach eingeschlafen war.
Josh tastete unter dem Tisch nach ihrer Hand. Fragend musterte sie ihn. Er lächelte sie an und schürzte die Lippen wie zu einem Kuss. Zwinkernd erwiderte sie seine Geste.
Liz spazierte nach dem überreichlichen Essen durch das Haus. Die Kleinen spielten im Kinderzimmer unter der Aufsicht der französischen Nanny. Sie überzeugte sich davon und schlenderte weiter. Im Esszimmer betrachtete sie den riesigen Weihnachtsbaum.
»Schön, nicht wahr?« Tyler gesellte sich zu ihr. »Von so einem Baum
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