Zodius 01 - Ein Sturm zieht auf
Michael nicht an der nächsten Ecke auf ihn lauerte, hatte sie kein Interesse an der unverhohlenen Anmache dieses Mannes. Als ob ein anderer Michael das Wasser reichen könnte, dachte sie trocken. »Ich bin ohnehin müde«, sagte sie, während sie ihre Tasche einräumte. »Treffen wir uns morgen früh um zehn in der Lobby, bevor wir zum Flughafen fahren?«
Er erwiderte nichts, sondern nagelte sie mit einem lüsternen, einladenden Blick fest. Es fühlte sich an, als wäre sie durchsichtig, und als wüsste er, dass sie feucht und willig war. »Was ist denn nun mit meiner Einladung?«
Cassandra hätte ihn am liebsten über den Haufen geballert, besann sich jedoch eines Besseren. Michael hatte recht – sie wollte wissen, wer log. Da sie sich noch Brocks Laptop unter den Nagel reißen musste, schien es unklug, ihn gegen sich aufzubringen.
Also rang sie sich ein Lächeln ab. »Was halten Sie davon, wenn wir das spontan entscheiden? Wir haben noch eine lange Reise vor uns.«
»Und müssen irgendwann essen. Was wir ebenso gut zusammen tun können.« Sein Handy vibrierte wieder, und er seufzte. »Ich muss los. Wir sehen uns morgen.«
Sie sah ihm nach. Von wem die SMS wohl war?, überlegte sie.
Cassandra schnappte sich ihre Sachen und machte sich auf den Weg zum Zimmer. Sie dachte immer noch an Michaels Berührung und konnte sie sogar noch körperlich wahrnehmen. Zweifellos war er meilenweit entfernt, doch ein Anruf von dem Handy, das er zurückgelassen hatte, würde genügen, um ihn binnen Sekunden vor ihr stehen zu lassen. Ein Teil von ihr wollte es vom Balkon schleudern, weil sie befürchtete, ihn tatsächlich anzurufen. Sie würde ihn bloß anbrüllen und eine Erklärung verlangen, weshalb er sich jahrelang nicht hatte blicken lassen. Am Ende würde sie ihn vielleicht auch noch anflehen, in ihr Bett zu kommen, um den Schmerz und die Einsamkeit verschwinden zu lassen. »Fahr zur Hölle«, flüsterte sie, als sie ihr dunkles Zimmer betrat und sich an die harte, hölzerne Tür lehnte. »Ich will mich nicht schon wieder so fühlen müssen.«
Eine Stimme drang vom Korridor herein – Brock. Sie wusste, dass ihre Zimmer auf der gleichen Etage lagen, jedoch nicht, dass sie so dicht beieinander waren. »Sie ist in ihrem Zimmer«, sagte er. »Wo ich ebenfalls sein wollte, bis Sie mir einen Strich durch die Rechnung gemacht haben.« Er hörte kurz zu. »Ich habe doch gesagt, dass ich ihn kriege, und dabei bleibt es auch. Sie ist Teil meines Plans, dem Sie gerade in die Quere kommen.« Einige Sekunden lang war nichts zu hören. »Gut. Ich komme.« Er stieß einen leisen Fluch aus, öffnete die Tür des Nebenzimmers und schlug sie zu.
In dem Gespräch war es um sie gegangen! Gott möge ihrem Vater beistehen, wenn er am anderen Ende der Leitung gewesen war. Und was kriegen? Etwa Red Dart? Oh, nein. Vielleicht hatte Brock doch nicht mit ihrem Vater gesprochen. Vielleicht war es … Adam. Oder Michael? Nein, das war doch verrückt. Es sei denn, Michael war ein preisverdächtiger Schauspieler.
Cassandra biss sich auf die Unterlippe. Nach allem, was vorgefallen war – konnte sie wirklich davon ausgehen, dass er nicht mit Brock telefoniert hatte?
Sie knipste das Licht an, lehnte Aktentasche und Handtasche gegen die Wand. Nach kurzer Überlegung schleuderte sie ihre Schuhe davon und zog gleichzeitig den Reißverschluss ihres Rocks auf. Sie machte sich nicht die Mühe, Bluse und Jacke auszuziehen, sondern griff hastig nach einer Jeans und zog sie über die Hüften. Derbe Stiefel bildeten den Abschluss.
Wo immer Brock auch hingehen mochte, sie würde ihn nicht aus den Augen lassen. Sie musste sich Klarheit darüber verschaffen, was vor sich ging und wer im Hintergrund die Fäden zog. Und wem sie wirklich vertrauen konnte, falls es da überhaupt jemanden geben sollte. Ein mulmiges Gefühl beschlich sie, und sie hielt inne. Was, wenn sie heute nicht mit Caleb, sondern mit Adam telefoniert hatte? Hatten Zwillinge denn nicht ähnliche Stimmen? Sie sog scharf die Luft ein und zwang sich, sich wieder in Bewegung zu setzen. Nun hatte sie erst recht einen Grund, sich an Brocks Fersen zu heften, der jeden Moment aus seinem Zimmer kommen würde.
In Groom Lake hatten zu viele ihr Leben verloren, die man vielleicht hätte retten können, wenn sie ihren Vater früher durchschaut hätte. Abzuwarten und sich abermals von seinen Motiven in die Irre führen zu lassen, kam nicht infrage. Michael zu vertrauen, ebenfalls nicht – am Ende gehörte
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