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Zoë

Titel: Zoë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Carmichael
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seinem Napf war gefroren, die Sterne am Himmel glitzerten wie Stückchen vom Eis. Er schaute durch das Fenster in der kleinen Tür, die der Helfer des Mannes neben der großen für ihn gemacht hatte. Sein Blick wanderte den Berg aus Treppenstufen hinauf, den das Mädchen so oft hochstieg oder herabkam. Er wusste, sie war dort. Es ging über seinen Verstand, was diese Anstrengung wert sein konnte, aber irgendetwas musste es ja sein, etwas, was ihm sie Abend für Abend nahm. Er wünschte, sie würde jetzt zu ihm herunterkommen.
    In letzter Zeit hatte sie mehr Zeit mit ihrer eigenen Art verbracht – und von der gab es zunehmend mehr. Verräterin! Sah sie nicht, dass dieser Junge Ärger bedeutete? Roch sie es nicht? Die Besorgnis des Katers nahm zu. Er stupste mit der Pfote an die kleine Tür. Nichts. Noch einmal. Sie schwang ein kleines Stück auf. Nun schlug er heftig dagegen. Sie schwang nach innen, nach außen, dann schloss sie sich wieder. Nun schob er sie mit der Schnauze auf, schnüffelte die warme Luft, in der er etwas von dem Mädchen wahrnahm, bevor er sich ängstlich zurückzog. Blöde Tür! Er rollte sich davor zusammen, versuchte zu schlafen.
    Als hätte es ihn gehört, kam bald darauf das Mädchen die Treppe heruntergeschlichen. Die große Tür ging auf, und das Mädchen schlüpfte heraus, dick eingemummelt und zusätzlich in eine warme Decke gewickelt. Er sah zu ihr auf und miaute.
    Sie sprach zärtlich zu ihm, bückte sich und streckte die Hand nach ihm aus. Er vergaß all seine gewohnte Vorsicht, schnupperte an der Hand, leckte ihr die Finger, ließ zu, dass sie ihn am Kopf und unter dem Kinn kraulte und ihm sanft über den Rücken strich.
    Sie liebkoste ihn weiter, rieb ihm den Bauch und die Ohren, wisperte ihm dies und das zu, dann rollte sie sich zusammen und schmiegte sich warm an ihn. Lange lagen sie so da, ohne zu schlafen, sie beobachteten den Waldrand und lauschten.
    Als der Morgen dämmerte, stand sie auf und ging zu den Bäumen hinüber, sie schien nach etwas Ausschau zu halten, doch dann kehrte sie zitternd zu ihm zurück und schüttelte den Kopf. Sie ging hinein, stieß die kleine Tür auf und legte sich am Fuß der Treppe auf den Boden. Von dort rief sie nach ihm, immer und immer wieder, mit ihrer hohen, lieben Stimme, und nach einer Weile hielt er es nicht mehr aus und ging zu ihr hinein. Sie lachte, als sie sah, wie er an den Wänden entlangstrich, die kleine Tür stets wachsam im Auge hielt und wie der Blitz durch sie verschwand, als der Mann verschlafen die Treppe hinunterkam.
    Ich durfte ihn anfassen, Onkel Henry!, rief sie. Ich musste nur Geduld haben, das war alles. Bis er wusste, dass er mir vertrauen kann.
    Der Mann lächelte leicht, so als hätte sie etwas Wichtiges gesagt, und strich ihr sanft über den Kopf.
    Nachdem der Mann in seine Werkstatt gegangen war, blieb das Mädchen im Flur. Sie ließ die kleine Tür offen stehen, denn sie hatteverstanden, dass es ihm wichtig war, immer sofort wieder hinauszukönnen. Den ganzen Tag lang ging der Kater ein und aus. Wenn er draußen war, fehlten ihm ihre Zuwendung und das warme, trockene Haus, immer wieder lockte ihre warme Stimme ihn zurück. Im Haus wiederum fehlten ihm die frische Luft, das hohe Gewölbe des Himmels, das weich federnde Laubbett der Erde unter seinen Pfoten. So ging es hin und her, hinein und heraus, während er sich zu entscheiden versuchte.
    Am Abend breitete sie ein Tuch auf dem Boden des zweiten Vorderzimmers aus, und wieder rief sie nach ihm. Erst sträubte er sich, blieb stur neben seiner Tür sitzen, ließ dabei das Mädchen aber nicht aus den Augen. Sie lag im Zimmer auf dem Boden und ließ ihrerseits den Kater nicht aus den Augen, wartete, denn sturer noch als er selbst war sie. Endlich ging er zu ihr, er spürte die Hitze des Feuers. Wie wohlig sich die knisternde Wärme anfühlte! Er rollte sich davor zusammen, badete in der Wärme und schlief ein.
    Doch sie war noch immer nicht zufrieden. Später ging sie die Treppe hinauf und ließ auf jeder Stufe ein Fitzchen Fleisch liegen. Auf der letzten Stufe, hoch oben, blieb sie stehen und rief ihn. Er starrte zu ihr hinauf. Sie rief und rief, doch er rührte sich nicht von der Stelle.
    Es dauerte lange, bis sie aufgab, bis sie sich mit mürrischer Miene abwandte und nach oben verschwand wie immer. Er drückte sich zu seiner Tür hinaus und schlief unruhig auf der Veranda, nahe der Erde, den Bäumen, dem Leben, das er kannte. Er träumte von geschlossenen Türen

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