Zonta-Norm regelwidrig
bedrohlich nahe an die Wandung des Marsschiffes heranreichten. Der Ausgang des Hochtals mündete in eine tiefe, von Süden nach Norden verlaufende Rinne. Die »1418« wurde fast bis auf die Sohle der Rinne hinabgedrückt. Hier unten befanden wir uns im Schlagschatten der Berge. Die Außentemperaturen, von marsianischen Thermometern registriert und in Form von Farbsignalen wiedergegeben, sanken rapide und erreichten Werte unterhalb einhundert Grad minus.
Listerman brachte den Kreuzer zum Stillstand. Unter dem Einfluß eines künstlichen Schwerefeldes schwebte die »1418« reglos etwa achtzig Meter über der Talsohle. Listerman saß eine Zeitlang mit hängenden Schultern im Sessel des Piloten und starrte vor sich hin. Das war seine Art, die mörderische Spannung loszuwerden, die ihn während der vergangenen Minuten gefangengehalten hatte.
Dann fuhr er mit einem Ruck herum. Er zeigte auf den Bugbildschirm und deutete auf eine Stelle, an der das Tal – etwa zwanzig Kilometer weiter im Norden – vor einer steilen Wand endete.
»Dort liegt der Zugang, Sir! Bringen Sie uns hindurch?«
2.
Das also war der kritische Augenblick, um dessentwillen wir die Feuertaufe auf der Höhe Lamarck hatten über uns ergehen lassen müssen. Verschiedene Dinge galt es zu bedenken. Da war erstens die Möglichkeit, daß ZONTA, das Rechengehirn der sublunaren Marsstadt, auf unseren Anruf überhaupt nicht reagierte. Und selbst wenn es antwortete, war noch lange nicht gewiß, ob es mich – Holger-Bertram Nang-Tai, der aus auf der Hand liegenden Gründen seine Maske auch in diesem Augenblick nicht aufgeben durfte – als autorisiert (der marsianische Ausdruck lautete in der Übersetzung »erbberechtigt«) anerkennen und den Zugang öffnen würde.
Drittens war der Mondpatrouille die Lage des jüngst entdeckten Zugangs zwar nicht genau (das hatte Reling im letzten Augenblick noch verhindern können), aber doch wenigstens ungefähr bekannt. Die Männer der Patrouille mochten auf den Gedanken kommen, diese Gegend mit ihren schweren Waffen zu beharken – in der Hoffnung, die »1418« durch eine Art Sackschuß trotzdem noch zu erledigen.
All das mußte berücksichtigt werden. Die Zuversicht, die ich in diesem Augenblick nach außen hin zeigte, war in Wirklichkeit nicht vorhanden. Es gab einfach zu viele Faktoren der Unsicherheit.
Auf meinen Wink hin aktivierte Listerman den besonders für Bord-zu-Rechner-Verbindungen reservierten Kommunikationskanal. Ich schaltete den Kodator ein, den wir auf dem Mars erbeutet hatten und von dem wir nun wußten, daß er im Vergleich zu sogenannten Super- oder Kommandokodatoren ein relativ leistungsschwaches Gerät war. Aber es war das einzige, das ich besaß. Um uns ein wirkungsvolleres zu beschaffen, dazu waren wir ja hier.
In dem Augenblick, in dem Kom-Kanal und Kodator aktiviert waren, mußte das Rechengehirn der Marsstadt ZONTA mich wahrnehmen. Es gewahrte mich optisch ebenso wie auf vielerlei andere Arten und Weisen, deren es sich bediente, um einen Anrufer einwandfrei zu identifizieren. Ich stand in der Mitte des Kommandoraums, die anderen hatten sich weit von mir zurückgezogen. Aber ich glaube, ZONTA hätte auch ohne dieses Zurschaustellen sofort gewußt, daß ich derjenige war, der mit ihm zu sprechen wünschte.
»Hier spricht ein Erbberechtigter!« begann ich möglichst selbstsicher. »Ich verlange, daß der Zugang zur Stadt ZONTA mir, meinem Fahrzeug und meinen Begleitern unverzüglich geöffnet wird.«
Ich sprach englisch. Wir hatten uns keine Mühe zu geben brauchen, den marsianischen Großrechnern NEWTON und ZONTA
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