Zores
Polizeidirektion Wien“, sagte er leichthin.
Holzer setzte für einige Sekunden einen konsternierten Blick auf, dann erhellte sich seine Miene: „Na pfiat mi Gott, die Demand-G’schicht’ damals.“ Gleich darauf schlug seine Stimmung um und unverhohlene Aggression kam zum Ausdruck: „Ihr wolltet mir damals einen Mord anhängen, ihr zwei …“ Mit knapper Not vermochte er einen Fluch zu unterdrücken. „Sagts ned, ihr wollts mir jetzt den Suchy a no zuwedividieren.“
„Aber geh“, replizierte Bronstein übertrieben freundlich, „diesmal hätten wir nur gerne ein paar Auskünfte von Ihnen … Es sei denn, wir hätten Veranlassung anzunehmen, Sie haben etwas mit der G’schichte da zu tun.“
Holzer war der Unterton in den letzten Worten nicht entgangen. Doch der Holzer des Jahres 1938 war offenbar nicht mehr jener des Jahres 1934. Er verzichtete auf weitere Gefühlsaufwallungen und sagte nur, er sei diesmal so unschuldig wie damals.
„Wie sind S’ denn überhaupt da herkommen?“, setzte Bronstein nach, „ich mein’, das ist schon ein bisserl ein Abstieg gegen seinerzeit, oder?“
„Na, was glauben S’, was die Demands mit mir g’macht haben, nach dera G’schicht’“, versetzte Holzer bitter, „außeg’haut haben s’ mi, aber hochkant aa no. Na, und ich brauch Ihnen ja ned zum dazähl’n, wie groß damals die Chancen waren, a neiche Stell zum kriegen, ned wahr?! Da war i froh, wie i da unterkommen bin, a wenn der Suchy ned halb so viel zahlt hat wie die Itzig damals.“
Bronstein verkniff sich eine Bemerkung hinsichtlich des raffenden Kapitals und fragte stattdessen, seit wann Holzer in Suchys Diensten gestanden war.
„Seit ungefähr zwei Jahr’. Der Suchy hat damals wieder a bisserl Oberwasser kriegt. Wissen S’ eh, wegen dem Abkommen damals. Der Suchy hat ja sogar geglaubt, er könnt in die Regierung einziehen, aber das hat’s natürlich nicht g’spielt. Immerhin aber ist die Auftragslage wieder besser worden, und, was soll ich Ihnen sagen, ich hab den Suchy natürlich von der Partei her gekannt, und so hat er zu mir g’sagt, weißt was, Franz, du machst mir den Geschäftsführer. Na und i, i war froh, dass i überhaupt wieder a Hack’n g’habt hab, ned wahr.“
„Und der Laden da, der rennt?“, fragte Bronstein ungläubig.
„Woher denn! I hab seit der Weihnachtsremuneration ka Geld mehr g’sehen. Der Suchy hat am End alles auf a Kart’n g’setzt. Entweder, der Führer übernimmt Österreich, oder wir geh’n baden, hat er noch vor ein paar Tagen zu mir g’sagt, wie i eam wieder einmal um mei Gehalt angangen bin.“
„Apropos“, mischte sich nun Cerny ein, „sollte jemand Ihres Schlages in Tagen wie diesen nicht ein wenig … nun … euphorischer sein? Politisch gesprochen, meine ich.“
Überraschenderweise zuckte Holzer nur mit den Schultern. „A wos! Die Partei, jo mei, die hat halt jetzt andere Sorgen, als sich um ihre alten Kämpfer zu kümmern. Und da sowieso! Da haben jetzt ganz andere Leut’ des Sagen. Das hätt’s unterm Parteigenossen Habicht ned geben, was da jetzt so rennt.“
Bronstein kniff die Augen zusammen. Anscheinend gab es jetzt, da die Partei erstmals eine reale Chance hatte, an die Macht zu kommen, auch bei den Jüngern der Volksgemeinschaft ein wildes Gerangel um Posten und Einfluss, und offenbar war Holzer dabei auf der falschen Seite gelandet.
Doch den quälten offenbar ganz andere Sorgen, denn Holzer lehnte sich zurück und machte eine resignative Handbewegung. „Außerdem“, begann er, „wird des eh wieder nix. Euer Schuschnigg hat des gar ned bled g’macht. Die Volksabstimmung werma verlier’n, und es wird si wieder nix ändern.“
„Na da schau her“, entfuhr es Bronstein.
Holzer sah auf: „Na sicher. Des is doch immer so. Im 32er Jahr hamma jede Wahl g’wonnen, die’s irgendwo geben hat. Und was is passiert? Verboten samma worden. Dann, im 34er Jahr, hat’s g’heißen, jetzt schlagen wir zurück. Und? Im Regen haben s’ uns stehen lassen, die so genannten Brüder aus dem Altreich. Und da soll i glauben, dass es diesmal anders kommt?Woher denn! Die da oben werden sich irgendwie einigen, und wir da unten san scho wieder die Ang’schmierten.“
Cerny verspürte wenig Lust auf Holzers larmoyante Elegie. „Wir werden Ihre Angaben überprüfen, Herr Holzer. Wir würden Sie bitten …“
„… nicht die Stadt zu verlassen. Ja, ja. Den Spruch kenn i scho. Danke und auf Wiederschau’n.“ Holzer beugte sich wieder
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