Zores
mit dem Strasser?“
„Hast auch wieder recht. Aber warum gerade jetzt?“
„Wann denn sonst? Jetzt können S’ davon ausgehen, dass diese Taten nicht mehr verfolgt werden, weil einer der ihren Innenminister ist.“
„Aber noch gehört ihnen der Staat nicht. Die Presse wird den Fall genüsslich …“
„Ah, David, wird sie? Ich hab keine Zeile über die ganze Sache g’lesen heute.“
Bronstein stutzte. Er hatte heute noch keine Zeitungen gelesen, doch es gab keinen Grund, dass Cernys Aussage unrichtig wäre. Wieso schwiegen die? Waren die auch schon gleichgeschaltet? Bronstein stieß angewidert Luft aus. „Am liebsten würd ich die ganze Angelegenheit einfach auf sich beruhen lassen. Hat ja nicht die G’fehlten erwischt.“
„Das ist richtig. Aber wir wissen beide, dass wir das nicht können. Wir müssen weiterermitteln.“ Cerny machte eine ernste Miene.
„Ja, schon. Aber ich weiß ehrlich nicht mehr, wo wir noch ansetzen sollten.“
„Vielleicht nach dem Ausschlussprinzip“, schlug Cerny vor. „Sehr gut, Cerny“, bemerkte Bronstein mit galliger Ironie, „das wird uns sehr weiterhelfen! Der Hitler war’s ned, und der Schuschnigg aa ned. Bleiben nur noch … wie viel Millionen?“
„David, mehr Ernsthaftigkeit, wenn ich bitten darf. Wir sind im Prinzip beide einer Meinung, wenn wir sagen, aus dem Haus war’s keiner, oder?“
Bronstein nickte.
„Gut. Die Väter können wir auch vergessen, glaub ich. Die hätten zwar Grund gehabt, den Suchy umzubringen, aber denen wär der Frank ned passiert.“
„Wahrscheinlich ned“, pflichtete Bronstein bei, „außerdem kommt mir keiner von denen abgebrüht genug vor, einen Mord zu begehen, beziehungsweise gar zwei, und nachher weiterzutun, als wär nix g’wesen.“
„Also bleiben zwei mögliche Gruppen von Verdächtigen: die Partei und der Schlachthof.“
„Wobei sich“, hob Bronstein den rechten Zeigefinger, „diese beiden Felder zweimal überschneiden. Beim Holzer und bei der HJ.“
„Glaubst“, fragte Cerny, „wir haben den Holzer zu sanft angefasst?“
„Glaub ich nicht. Der war schon bei der Demand-G’schicht’ mehr ein Maulheld als sonst was. Nein, wir sollten uns die HJ näher anschauen, denke ich mir.“
Sie waren kaum wieder im Präsidium angekommen, als das Telefon läutete. Bronstein hob ab. Am anderen Ende der Leitung meldete sich die Sekretärin von Polizeipräsident Skubl, der seit einem knappen Jahr auch Staatssekretär für Sicherheitwar und damit das ständestaatliche Pendant zu Innenminister Seyß-Inquart bildete. Nach dem Juli-Putsch der Nazis hatte Skubl überraschend schnell den vormaligen Präsidenten Seydel beerbt, und der Bundeskanzler schien große Stücke auf Skubl zu halten. Skubl selbst auch. Er war so sehr damit beschäftigt, seine Karriere voranzutreiben, dass er sich üblicherweise nicht in den Tagesbetrieb einmengte. Wenn er also irgendwo anrufen ließ, dann hatte dies in der Regel Schwerwiegendes zu bedeuten. Der Präsident erwarte Bronstein umgehend in seinen Amtsräumen, ließ die Sekretärin knapp verlauten. Bronstein zuckte mit den Schultern und begab sich ins Stockwerk der Chefitäten.
„Ja sind Sie denn von allen guten Geistern verlassen!“, brüllte Skubl, kaum dass er Bronsteins ansichtig geworden war. Er sprang von seinem Stuhl auf und fuchtelte wie wild mit dem Arm durch den Raum. „Sie klopfen da beim Herrn Minister an, als wäre der ein x-beliebiger Tagedieb. Bronstein! Das wird Konsequenzen haben, das sag ich Ihnen!“
„Aber …“
„Nix aber, sakrafix. Sie sind doch wirklich … ach was.“ Skubl machte eine wegwerfende Handbewegung und ließ sich wieder auf seinen Sessel plumpsen. „Und das noch dazu mit Ihrem Familiennamen“, schickte er, halb flüsternd, hinterher.
Bronstein zuckte zusammen: „Ah, die dürfen die Unabhängigkeit unseres Staates in Frage stellen, und wir dürfen nicht einmal mehr ermitteln?“ Er war selbst überrascht davon, wie forsch er dem Präsidenten geantwortet hatte. Dem freilich blieb der Mund offen.
„Was … erdreisten Sie sich?“, brachte Skubl endlich hervor.
„Ich erdreiste mich gar nichts“, entgegnete Bronstein rasch, „ich versuche nur, zwei Morde aufzuklären. Und wir habendringend Grund zu der Annahme, dass die Partei des Herrn Ministers in diese Sache verwickelt ist.“
„Es gibt keine Partei des Ministers“, statuierte Skubl schneidend.
„Herr Präsident, mit allem gebotenen Respekt: Wir wissen beide, dass es die gibt. Und
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