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Zores

Zores

Titel: Zores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Pittler
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Lautstärke gebellt, dass Bronstein unwillkürlich zusammengezucktwar. Dennoch war er nicht willens, sich so davonjagen zu lassen. Als er eben zu einer Replik ansetzen wollte, ging am anderen Ende des Korridors eine Tür auf, und ein massiver Körper mit einem quadratischen Schädel erschien in Bronsteins Gesichtsfeld. Der Oberst kannte dieses Gesicht von zahlreichen Bildern. Es war der Minister höchstselbst.
    „Schönberger, was ist da los?“, fragte SeyßInquart schneidend.
    „A Itzig, Herr Doktor. Der traut si da her!“
    Das Gesicht des Ministers verfinsterte sich augenblicklich. Er schickte Bronstein über seine randlose Brille hinweg einen vernichtenden Blick und erklärte seinem Adepten sodann, er möge den impertinenten Kerl an die frische Luft befördern. Tatsächlich griff der Jungnazi nach Bronsteins Mantel. Dieser riss sich los.
    „Einen Augenblick, ja! So geht das nicht!“, rief Bronstein erregt, „das ist eine Mordermittlung, und da habe ich das Recht …“
    „A Jud hot ka Recht“, schnarrte der Junge.
    Bronstein ignorierte ihn und versuchte, die Kanzlei zu betreten.
    Wieso hatte er den Schwinger nicht kommen sehen? Der Nazi musste unterhalb seines Gesichtsfeldes ausgeholt haben. Jedenfalls war die Wucht, mit der dessen Faust in seiner Magengrube gelandet war, beachtlich. Bronstein musste sich am Türstock festhalten, um nicht umzufallen. Das Atmen fiel ihm schwer, und er konstatierte neben dem Schmerz ein eklatantes Schwindelgefühl. Er kam nicht dazu, weitere Gedanken anzustellen, denn Seyß-Inquarts Schläger verpasste ihm einen ordentlichen Rempler, sodass Bronstein zurückgerissen wurde. Seine Hand vermochte sich nicht mehr am Türstockfestzukrallen. Dieser entglitt ihm schließlich völlig, und Bronstein fiel der Länge nach hin auf den Gang. Gerade schaffte er es noch, sich mit der anderen Hand ein wenig abzustützen, um den Fall zu dämpfen, doch er schlug dennoch hart auf den Fliesen auf. Der Nazi lachte nur höhnisch und schloss die Tür.
    Bronstein schloss auch etwas. Seine Augen. Für einen Moment lag er einfach da und ließ sich gehen. So war das also. Da war er beinahe 55 Jahre alt, und jeder dahergelaufene Rotzlöffel konnte sich an ihm sein Mütchen kühlen. Er fühlte sich steinalt. Zu alt für diesen Beruf. Zu alt für diese Zeit, zu alt für dieses Leben. Eine Welle unendlicher Trauer durchflutete ihn, und er stellte fest, dass er mit den Tränen kämpfte. Mühsam setzte er sich auf, seufzte und wischte sich dann mit den Ärmeln seines Mantels über die Augen. Sein Bauch tat ihm weh, seine Schläfen pochten, und ein gewisses Maß an Übelkeit war nicht zu leugnen. Bronstein robbte sitzend zum Geländer, hielt sich daran fest und zog sich schließlich unter Schmerzen hoch. Er sah ein letztes Mal auf die Tür der Kanzlei und schlich dann die Treppe abwärts. Wie ein geprügelter Hund verließ er das Haus.
    Wieder auf der Straße, schlug er den Weg zur Lerchenfelder Straße ein. Obwohl es bis zur Straßenbahnhaltestelle kaum mehr als hundert Meter waren, brauchte Bronstein eine schiere Ewigkeit, bis er diese endlich erreicht hatte. Zu seinem Glück kam just in diesem Augenblick eine Garnitur heran, die Bronstein umständlich erkletterte. Er zeigte dem Schaffner seine Kokarde, murmelte „Dienstfahrt“ und ließ sich danach schwer auf die nächstgelegene Holzbank fallen. Als er sich eine „Donau“ anzünden wollte, registrierte er, dass seine Hand zitterte. Als ob diese Tatsache mit der Kälte zu tun hätte, beugte er sich vor und schloss die Verbindungstür, die das Wageninnere vom Einstiegsbereich trennte. Den Versuch, das Streichholz zuentflammen, gab er dennoch auf. Die Zigarette hing ungeraucht aus seinem Mundwinkel herab, und Bronstein war sich bewusst, dass ihn die übrigen Fahrgäste für einen Sandler halten mussten. Doch das war ihm egal. Gedankenverloren starrte er aus dem Fenster und sah die Häuser draußen vorüberziehen.
    Man hatte ihn eben aus einer Wohnung geworfen. Und das bei einer Ermittlung! So etwas war ihm noch nie passiert! Vielleicht sollte er den Dienst quittieren? Am besten, er wartete die Volksabstimmung noch ab, und wenn diese im Sinne Österreichs ausging, dann sprach er einmal ein Wort mit dem Skubl. Der hasste ihn so sehr, dass er jedes Pensionierungsgesuch von Bronstein mit Freuden befürworten würde. Für Cerny wäre dann endlich der Weg frei zur Leitung der Abteilung, das hatte er sich ohnehin schon lange verdient. Und er, Bronstein, würde

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