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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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ist und der Wecker längst zerborsten auf der städtischen Müllhalde liegt, wird er seinem Vater im Stadtpark begegnen.
    Er wird ihn töten, indem er ihn zusammen mit seinem Hund kopfüber an einem Baum aufhängt. Dann wird er zusehen, wie sein Vater langsam, sehr langsam zerfleischt wird.
    Bis dahin allerdings wird noch eine Menge Zeit vergehen.
    Klick – Klack.

Zwei
    Es war Anfang August, und es war schwül. Die Menschen duckten sich unter der Hitze, es schien, als hätte sich eine schmuddelige Herrensocke über die Gegend gebreitet. Die Stadt glich einer flimmernden Garküche, in der es nach Abgasen, kochendem Asphalt und menschlichem Schweiß roch.
    Als Claudius Zorn auf den Besucherparkplatz des Stadtklinikums einbog, waren alle Plätze besetzt. Kurzerhand hielt er auf einem der freien Behindertenparkplätze, zog die Handbremse und stieg aus.
    Er zündete sich eine Zigarette an und lief auf den Haupteingang zu. Bereits nach wenigen Sekunden bildeten sich Schweißflecken unter den Achseln seines gelben T-Shirts. Die dunklen Haare waren in den letzten drei Monaten gewachsen und hingen ihm tief über die Augen, er trug Jeans und weiße Turnschuhe, die auf dem heißen Pflaster des Fußweges leise quietschten.
    Als Schröder ihn sah, schirmte er mit der einen Hand das Gesicht gegen die Sonne ab und winkte ihm mit der anderen zu. Er stand im Schatten des riesigen Vordaches, direkt neben einem der großen Aschenbecher und schien seit geraumer Zeit zu warten.
    »Bin ich zu spät?«, fragte Zorn und trat die Zigarette direkt neben dem Aschenbecher aus.
    »Nein, Chef. Drei Minuten zu früh.«
    Zorn musterte ihn aus den Augenwinkeln. Der dicke Schröder war ungewöhnlich blass. Seine Füße steckten in altmodischen Ledersandalen, trotz der Hitze trug er hellbraune, karierte Strümpfe. Die unvermeidliche Cordhose schien drei Nummern zu groß, er musste mindestens zehn Pfund abgenommen haben. Sein Jackett hing sorgfältig zusammengelegt über einem kleinen Rollkoffer, der neben ihm auf dem Boden stand.
    »Danke, dass du mich abholst, Chef.«
    Zorn murmelte, dass das doch selbstverständlich sei und spürte einen leichten, unbehaglichen Stich in der Magengegend. Schließlich hatte er Schröder in den letzten zwölf Wochen nur ein einziges Mal besucht und dies mit seiner – wie er sich einredete –
pathologischen Abneigung
gegen Krankenhäuser begründet. Die Wahrheit lag natürlich woanders, genauer gesagt, bei seiner Trägheit. Ob diese ebenfalls
pathologisch
war, ließ sich schwer sagen, was allerdings nebensächlich war. Claudius Zorn hätte es sowieso niemals zugegeben. Jedenfalls nicht freiwillig.
    Die Eingangstür des Klinikums öffnete sich zischend, der Luftzug wehte Schröder eine rötliche Haarsträhne ins Gesicht. Sorgfältig strich er sie zurück und legte sie wieder quer über die Glatze.
    »Du siehst gut aus, Chef. Wie ein Rockstar aus den Siebzigern.«
    Zorn trug eine verspiegelte Sonnenbrille, die er sich vor einigen Wochen zugelegt hatte. Damals hatte er sich den neuen Batman-Film im Kino angesehen und im Nachhinein feststellen müssen, dass er den Film aufgrund seiner Kurzsichtigkeit mehr oder weniger als Hörspiel wahrgenommen hatte. Der folgende Sehtest (links minus 1,6 und rechts minus 2,75 Dioptrien) und der ernste, fast vorwurfsvolle Blick des Optikers hatten ihn schließlich überzeugt, dass ihm keine Wahl blieb, wenn er den Rest seines Lebens nicht blind wie ein Maulwurf durch die Gegend stolpern wollte. Jetzt besaß er zwei Brillen: Eine schmale Edelstahlbrille, die er nach kurzem Blick in den Spiegel im Handschuhfach des Volvos deponiert hatte (wo sie noch immer lag), und eine Sonnenbrille in seiner Stärke. Mit ihr konnte er gestochen scharf sehen und sah selbst, wie er fand, relativ scharf aus. Ein guter Kompromiss.
    Schröder hatte die Augen geschlossen und hielt das Gesicht in die Sonne.
    »War das jetzt ein Kompliment?«, fragte Zorn.
    »
Naturalmente
«, lächelte Schröder, ohne die Augen zu öffnen. Sie arbeiteten jetzt seit über zehn Jahren zusammen, doch Zorn wusste noch immer nicht, wann Schröder etwas ernst meinte und wann nicht.
    Wieder öffnete sich die Tür, ein hagerer Mann in verblichenem Bademantel schlurfte mit gebeugten Schultern heraus, die nackten Füße steckten in hellgrünen Badelatschen. Ein paar Meter neben ihnen blieb er stehen, nickte Schröder zu und zündete sich umständlich eine Zigarette an. Automatisch griff Zorn ebenfalls nach seiner Packung.
    »Ein

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