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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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Gesicht nur wenige Zentimeter von Mahler entfernt war.
    »Sie hat noch gelebt, Jungchen. Wahrscheinlich war sie nicht einmal schwer verletzt. Sie hat um ihr Leben gebettelt, bevor ich ihr das Genick gebrochen habe.«
    Zorn fuhr zitternd zusammen. Er wusste nicht, ob es am Fieber lag oder an dem, was er da hörte.
    »Ihr habt sie sogar für mich begraben, du und dein schwuler Leutnant. Da wusste ich, dass ihr mir für den Rest eures beschissenen Lebens aus der Hand fressen würdet.«
    Mahler sprang auf und ballte die Fäuste.
    Stapic lachte ihm ins Gesicht. »Schlag mich nur. Verprügele einen alten, gefesselten Mann.«
    Mahlers Brustkorb hob und senkte sich heftig. Eine Weile stand er schwer atmend da, dann setzte er sich wieder.
    »Nein. Den Gefallen tu ich dir nicht, Sivo.«
    »Ich wusste, dass du ein Weichling bist, Jungchen. Das warst du schon immer.«
    »Das Lachen wird Ihnen vergehen, Stapic«, sagte Zorn. »Spätestens, wenn Sie im Präsidium sind. Da warten einige auf Sie, die mit Ihnen reden wollen.«
    »Oh, mit einem habe ich vorhin gesprochen, Herr Kommissar. Ich glaube nicht, dass er jemals wieder eine Vernehmung führen wird.«
    Zorn runzelte die Stirn.
    »Was meinen Sie damit?«
    Stapic zuckte die Achseln und schwieg.
    »Ich fragte, was Sie damit meinen!«
    Der Kroate tat, als müsse er nachdenken. Zorn packte ihn am Kragen und schüttelte ihn.
    »Mit wem haben Sie gesprochen? Wann? Wo?«
    »Lassen Sie mich überlegen. Sie wissen schon, dieser kleine Dicke, der Ihnen immer nachgelaufen ist wie ein Schoßhund. Er war in meiner Bar, Herr Kommissar. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich es als unerlaubtes Eindringen bezeichnen, aber ich denke, er war dazu befugt. Schließlich war er Polizist.«
    »Was heißt das? Er
war
Polizist?«
    »Sagen wir, er hat einen ungünstigen Zeitpunkt für seinen Besuch gewählt. Äußerst ungünstig. Und er hätte besser nicht allein kommen sollen.«
    Etwas Kaltes lief Zorn den Rücken hinunter.
    »Was hast du mit ihm gemacht, du krankes Stück Scheiße?«, flüsterte er.
    Stapic schüttelte bedauernd den Kopf. »Er war mir im Weg, Herr Kommissar. Aber wenn es Sie tröstet: Er ist wie ein Mann gestorben.«
    Zorn schlug zu. Er legte alle Kraft in diesen Hieb, der Stapic das Nasenbein zertrümmerte. Die Wucht des Schlages schleuderte den Kopf des Kroaten nach hinten, seine Nackenwirbel knackten. Stapic senkte den Kopf, schüttelte ihn wie ein Boxer und sah auf. Seine Augen waren gerötet, Blut lief in Strömen aus der gebrochenen Nase.
    Dann begann er zu lachen.
    Ein hohes, irres Jaulen, das den Gasometer bis in die Fundamente zu erschüttern schien. Ella Mahler murmelte im Schlaf und drehte den Kopf auf die andere Seite.
    Zorn stand da, spürte, wie der Schmerz in den Fingerknöcheln langsam hinauf in den Ellenbogen drang.
    Er lügt, dachte er. Herrgott, er hat sein ganzes Leben gelogen und Leute manipuliert, es muss auch jetzt so sein. Schröder geht es gut, er sitzt zu Hause an seinem Rechner. Stapic wollte sehen, wie weit er mich bringt. Und es hat funktioniert, ich habe die Kontrolle verloren. Er hat es tatsächlich geschafft: Ich habe einem wehrlosen Mann die Nase gebrochen.
    Er nahm die Pistole und stand auf. »Es reicht. Wir gehen ins Präsidium.«
    Henning Mahler blieb sitzen.
    »Was ist?«, fragte Zorn.
    »Ich gehe nicht ins Gefängnis, Claudius.«
    »Was?«
    Stapic lachte glucksend auf.
    Mahler sah ihn an und sagte leise: »Du auch nicht, Sivo.«
    »Das habe ich auch nicht vor, Jungchen.«
    »Ich weiß, aber es gibt einen anderen Grund.« Mahler griff in die Jackentasche und zog ein kleines, schwarzes Kästchen hervor. Es sah aus wie die Fernbedienung einer Stereoanlage. »In fünf Minuten wirst du tot sein.«
    Zorn wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
    »Hör auf, solchen Schwachsinn zu erzählen, Henning.«
    »Das ist kein Schwachsinn. Hast du wirklich geglaubt, ich würde ohne Plan hier reinmarschieren und mich diesem Irren ausliefern? Ich war heute Nachmittag hier und habe den Gasometer komplett vermint.«
    »Ich glaub dir kein Wort, Henning. Wo hast du den Sprengstoff her? Aus der Drogerie?«
    »Der war nicht schwer zu besorgen. Man muss nur die richtigen Leute fragen.« Mahler hob das Kästchen ein wenig. Zorn bemerkte ein paar rote, blinkende Zahlen. »Das ist ein Fernzünder, Claudius. Er läuft genau noch viereinhalb Minuten. Nimm Ella und lauf, so schnell du kannst.«
    Er meint das tatsächlich ernst, dachte Zorn. Das muss von Anfang an sein

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