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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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amüsieren, der feine Herr, überlegte er. Offensichtlich kommt er sehr gut ohne mich zurecht. Zorn spürte ein unschönes Gefühl in sich aufsteigen. Eifersucht?
    Quatsch, brummte er vor sich hin. Ich bin nicht eifersüchtig. Egal, ich habe sowieso gleich Feierabend.
    Er machte auf dem Absatz kehrt und stapfte missmutig zurück in sein Büro. Zehn Minuten später befand er sich auf dem Heimweg.
    *
    Als die Sonne längst untergegangen war, lag Zorn in Boxershorts auf seinem Bett. Die Wohnung war angenehm kühl, er hatte sämtliche Fenster weit aufgerissen. Leise dröhnte das Brausen des abendlichen Stadtverkehrs zu ihm hinauf in den vierzehnten Stock.
    Er lag auf dem Rücken, rauchte und starrte an die Decke. Natürlich war ihm klar, dass er sich am Nachmittag wie ein trotziges, eingeschnapptes Kind verhalten hatte. Oder war es etwas anderes? Die Wechseljahre? Herrgott, überlegte er, ich werde tatsächlich launisch. Wie eine alternde Diva.
    Nun, launisch war er schon immer gewesen, mit dem Alter hatte das nichts zu tun. Aber es stimmte, in letzter Zeit lagen seine Nerven blank. Doch das hatte einen ganz anderen Grund.
    Malina.
    Besser gesagt, ihr plötzliches Verschwinden.
    Das war am 9. Mai gewesen, er wusste das Datum noch ganz genau. Eine Woche, nachdem der Gasometer explodiert und ihren Onkel unter sich begraben hatte. Wie lange war das jetzt her? Zwölf Wochen?
    Ja. Seit sechsundneunzig Tagen (und Nächten! – die waren schlimmer) grübelte er, warum sie ihn verlassen hatte, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen.
    Sie hatten sich für den Abend zum Essen verabredet, am Nachmittag erhielt er eine Nachricht aufs Handy:
Sorry, Zorn. Es geht nicht
. Das hatte er als Absage für das Essen verstanden und nicht weiter wichtig genommen.
    Zunächst jedenfalls. Als er sie am nächsten Morgen anrufen wollte, war sie nicht zu erreichen. Er sprach ihr auf die Mailbox. Zwei Tage später, als er dann vor ihrer Tür stand und konsterniert auf die helle Stelle starrte, an der bis vor kurzem noch ihr Namensschild gehangen hatte, wusste er, wie sie ihre Nachricht gemeint hatte.
    Sorry, Zorn. Es geht nicht
.
    Es war ein Abschied gewesen.
    Am schlimmsten war nicht die Tatsache, dass sie ihn verlassen hatte, sondern die Frage nach dem Warum. Auch jetzt noch, drei Monate (oder zweitausenddreihundert Stunden) später, fragte er sich immer wieder, was der Grund für ihr plötzliches Verschwinden gewesen sein könnte. Er wusste es nicht.
    Sie hatten nicht einmal zwei gemeinsame Wochen gehabt, aber sie waren glücklich gewesen. Was das Glück betraf, war Zorn im Laufe seines Lebens sehr vorsichtig geworden, aber er war sicher, dass sie einem Zustand, der diesem Begriff ähnelte, zumindest sehr nahe gekommen waren. Und es war nicht nur ihm, sondern auch ihr so gegangen. Sie hatten sich gefunden, und es war gut gewesen. Das war eine Tatsache. Punkt.
    Es wäre Zorn ein Leichtes gewesen, ihre neue Telefonnummer herauszufinden oder die Adresse, unter der sie jetzt wohnte. Aber da war nicht nur das Unglück über die enttäuschte Liebe, da war noch etwas anderes: Trotz.
    »Na und? Dann hast du eben Pech gehabt, Malina. Du hast keine Ahnung, was du verpasst«, sagte Zorn laut und erschrak über den Klang seiner eigenen Stimme, die hohl von den Wänden seines kleinen Schlafzimmers widerhallte.
    Die Gardinen bewegten sich sacht, eine kühle Brise wehte durchs Zimmer. Zorn schüttelte wütend den Kopf. So sehr er auch lüftete, er konnte sie immer noch riechen.
    Ich bin selbst schuld, dachte er und drückte die Zigarette aus. Ich hätte sie nicht so dicht an mich heranlassen dürfen. Aber das war jetzt das letzte Mal. Endgültig. Ich komme sehr gut allein klar.
    »Und außerdem«, murmelte er leise, klopfte das Kissen zurecht und drehte sich zur Seite, »hab ich ja noch Schröder.«
    Drei Stunden später war er endlich eingeschlafen.
     
     
    Der neue Fall für Zorn und Schröder – ab November 2012 überall da, wo es Bücher gibt.

Impressum
     
    Anmerkung: Die Motti zu den drei Teilen dieser Geschichte stammen aus dem Song »Hurt« von Nine Inch Nails, gecovert von Johnny Cash.
     

     
    Covergestaltung: bürosüd°, München
    © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2012
     
    Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.
    Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
    ISBN 978-3-10-401407-4



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