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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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»irgendwie glaube ich, der Typ ist kein durchgeknallter Psychopath, sondern weiß ganz genau, was er tut.«
    »Und wie kommst du darauf?«
    Schröder strich sich in einer perfekten Imitation des Staatsanwaltes über die linke Augenbraue und grinste: »Meine Intuition.«
    Ich mag ihn, dachte Zorn. Ich mag ihn wirklich.
    *
    Später, als Claudius Zorn endlich wieder allein in seinem Büro war und rauchend am Fenster stand, saß der, den jetzt alle suchten, der Mann, der vor nicht einmal 24 Stunden einen Menschen bestialisch zu Tode hatte kommen lassen, auf einem zerschlissenen Sofa und murmelte vor sich hin, dass nun endlich alles gut werden würde.
    Damit allerdings hatte er sich gründlich verrechnet. Denn je weitreichender unsere Pläne werden, desto mehr Dinge stellen sich uns in den Weg. Und seien es nur Kleinigkeiten, die wie der berühmte Flügelschlag des Schmetterlings zur Woge werden, die alles begräbt, was sich ihr in den Weg stellt.

Drei
    Pünktlich um 17:15 verließ Claudius Zorn sein Büro. Das, was jetzt getan werden musste, hatte er Schröder übertragen, denn zunächst galt es, die komplette Maschinerie anzuwerfen. Zeugenbefragungen, genaue Untersuchung des Tatortes oder Kontakt mit der Spurensicherung allerdings waren Dinge, die Zorn zu profan erschienen, und in den seltenen Momenten, in denen er ehrlich zu sich selbst war, musste er zugeben, dass er es genoss, diese unangenehmen, bürokratischen Aufgaben einfach delegieren zu können.
    Da war allerdings noch ein weiterer, wichtiger Grund: Es gab einfach niemanden, der diese Arbeit besser erledigte als Schröder. Der war wie ein Wiesel, das akribisch jede noch so kleine Spur verfolgte und gleichzeitig immer den Überblick behielt, alles, was nebensächlich war, herausfilterte und die wichtigen Dinge präzise und knapp zusammenfasste, um sie dann an Zorn weiterzugeben.
    Jeder, der bei der Ermittlungsarbeit auch nur das kleinste Anzeichen von Nachlässigkeit erkennen ließ, wurde von Schröder gnadenlos in der Luft zerrissen. Außer Zorn natürlich. Denn Zorn war Schröders Chef. Und als der Chef den dicken Schröder in sein Büro bestellte und ihm mit hochwichtiger Miene mitteilte, dass er jetzt das Haus verlasse, um, wie er sagte, die ganze Sache zu durchdenken, hatte Schröder mit keiner Wimper gezuckt, die Cordhose strammgezogen und war zurück an seine Arbeit gegangen.
    Jetzt hastete Zorn durch den Regen über den Parkplatz. Als er seinen Wagen erreicht hatte, hielt er kurz inne und blickte zurück auf den unsagbar hässlichen Klotz, den andere als Polizeipräsidium bezeichneten. Bei dem Gedanken, dass Schröder wahrscheinlich bis Mitternacht dort bleiben würde, spürte Zorn wie aus weiter Ferne einen hauchzarten, kaum spürbaren Stich des schlechten Gewissens. Glücklicherweise nur kurz.
    Ich mag zwar ein Arschloch sein, dachte Zorn und startete den Volvo. Aber wenigstens kein so geschniegeltes wie Philipp Sauer.
    *
    In den Jahren bei der Polizei hatte sich Zorn zum Prinzip gemacht, nie nach Dienstschluss über seine Arbeit nachzudenken. Das war kein bewusster Entschluss gewesen, sondern hatte sich – wie so vieles in Zorns Leben – allmählich entwickelt, ohne dass er viel darüber nachgedacht hätte. Es war wohl eine Art Selbstschutz, ein Filter, der verhindern sollte, dass die grauen Gedanken des ebenso grauen Polizeidienstes über den Feierabend hinweg in sein Privatleben schwappten.
    Welches allerdings ebenfalls nicht sonderlich farbenfroh war.
    Als er sich jetzt mit quietschenden Scheibenwischern in den Kreisverkehr vor dem Hauptbahnhof einordnete, ertappte er sich bei dem Gedanken an die gerade anlaufenden Ermittlungen, und um sich abzulenken, schaltete er das Autoradio ein. Als habe er darauf gewartet, schrie der Moderator, dass Zorn jetzt die beste Mischung mit der meisten Abwechslung höre und gleich drei Superhits am Stück »auf die Ohren« bekomme, worauf der sensible Zorn entnervt auf den Abschaltknopf hieb und sich seufzend seinem Schicksal ergab. Dies war ein Fall, den er nicht einfach ausblenden konnte.
    War das überhaupt ein Mord?, überlegte Zorn und nahm ohne zu blinken die Auffahrt zur Stadtautobahn. Ein LKW überholte ihn donnernd, eine Sturzflut aus ungefähr zehn Millionen Liter schmutzig braunem Regenwasser klatschte über die Windschutzscheibe des Volvos. Fluchend schaltete Zorn die Scheibenwischer auf die höchste Stufe, worauf das Quietschen in ein hysterisches Kreischen überging. Alles, was sie hatten,

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