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Zorn - Tod und Regen

Zorn - Tod und Regen

Titel: Zorn - Tod und Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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waren ein paar Liter Blut. Sie wussten, dass es menschlich war. Und sie wussten, dass es wahrscheinlich von einer älteren Frau stammte. Aber wie um alles in der Welt war es in den Keller gekommen? Ein Unfall?
    Quatsch, dachte Zorn, sah in den Rückspiegel und registrierte am Rande die aufgeblendeten Scheinwerfer eines schnell näher kommenden Autos. Das kann kein Unfall sein, wer verliert über fünf Liter Blut und marschiert danach fröhlich nach Hause? Oder war alles ein schlechter Scherz? Unmöglich, das Blut war frisch, es musste aus einem Körper stammen, und dieser Körper hatte eindeutig zu einem Menschen gehört. Ein Mensch, der jetzt tot war. Und verschwunden.
    Sie mussten die verdammte Leiche finden. Ein Mensch konnte auf unterschiedlichste Weise so viel Blut verlieren, er konnte erschlagen, erschossen, erstochen oder auch mit einem Beil zerstückelt worden sein. Egal was passiert war: Der, der das getan hatte, hatte eine Riesensauerei hinterlassen, und neben dem Blut musste es andere Spuren geben.
    Der Wagen hinter ihm klebte regelrecht an seiner Stoßstange, und nun wurde Zorn bewusst, dass er auf der linken Spur fuhr und genaugenommen den Verkehr behinderte. Außerdem merkte er, dass er nicht gerade zügig fuhr. Was einfach dem Umstand geschuldet war, dass Zorn nicht sonderlich gut sah, vor allem jetzt, da die Dämmerung einsetzte und die beschlagenen Scheiben seines Wagens ihr Übriges taten, einem eh schon eingeschränkt sehfähigen Ermittler die Sicht zu behindern. Zorn war nicht unbedingt blind, eher ein wenig kurzsichtig, ein Umstand, der im Normalfall wenig störte. Beim Autofahren allerdings hatte er in letzter Zeit immer wieder feststellen müssen, dass er vieles in der Entfernung verschwommen wahrnahm.
    Super, dachte Zorn. Was wieder mal fehlt, ist der Durchblick.
    Ein Durchschnittsmensch wäre schon längst beim Optiker gewesen, doch Zorn war zum einen von seiner Überdurchschnittlichkeit überzeugt und zum anderen viel zu eitel, als dass er freiwillig eine Brille aufgesetzt hätte, die ihn seiner Meinung nach mindestens zehn Jahre älter erscheinen lassen würde. So kniff er denn tapfer die Augen zusammen, ignorierte den frechen Drängler und dachte nicht im Traum daran, zu beschleunigen.
    Ich bin Bulle, ich darf das, murmelte Zorn, blinzelte und hatte eine Idee. Er griff in die rechte Hosentasche, holte sein Handy hervor und wählte Schröders Nummer.
    »Schröder hier«, sagte Schröder.
    »Zorn hier«, erwiderte Zorn.
    »Chef?«
    »Blitzmerker.« Zorn fuhr mit voller Wucht durch eine riesige Pfütze. »Ich möchte …«, setzte er an, doch in diesem Moment blendete sein Verfolger auf, beschleunigte abrupt und befand sich kurz darauf in gleicher Höhe rechts neben dem Volvo, zog dann vorbei und setzte sich direkt vor ihn. Sekunden später leuchtete das »Bitte folgen«-Schild, das Zorn wegen seiner Kurzsichtigkeit zwar nicht lesen konnte, aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen jedoch sehr gut kannte. Er schlug heftig auf das Lenkrad und ließ einen noch heftigeren Fluch vernehmen.
    »Wie meinen?«, fragte Schröder höflich.
    »Ich melde mich«, knurrte Zorn, knallte das Handy auf den Beifahrersitz und folgte dem Streifenwagen an den Straßenrand.
    *
    »Ihnen ist klar, dass Ihr Verhalten eine Behinderung des Straßenverkehrs darstellt?«, fragte der massige Streifenpolizist, der sich in breitem Sächsisch als Wachtmeister Kusch vorgestellt hatte.
    Zorn hatte das Seitenfenster heruntergelassen und sich geschworen, den Wagen bei diesem Wetter nur unter Androhung einer mehrjährigen Haftstrafe zu verlassen. Er zückte seinen Dienstausweis. »Ich ermittle.«
    »Mit dreißig Stundenkilometern auf der linken Fahrspur, Herr …«, ein kurzer Blick in den Ausweis, »… Hauptkommissar?«
    »Hör mal, Kollege«, seufzte Zorn, »Du und ich, wir haben beide einen beschissenen Job. Was bringt es, wenn wir uns das Leben gegenseitig schwerer machen, als es eh schon ist?«
    »Da haben Sie recht«, erwiderte der Streifenpolizist mit einer unmerklichen Betonung auf dem ›Sie‹ und beugte sich zu Zorn hinunter, »mein Job ist wahrscheinlich noch mieser als Ihrer.«
    Darauf möchte ich wetten, dachte Zorn und lächelte zuckersüß.
    »Aber ich nehme ihn ernst«, fuhr der Polizist fort. Das Wetter schien ihm nichts auszumachen, von seiner Schirmmütze rann ein stetes Rinnsal zu Boden, und jetzt, da er sich zu Zorn ins Auto beugte, tropfte ein Teil des Wassers an Zorns Oberschenkel vorbei auf das

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