Zorn und Zärtlichkeit
Sheena von angenehmer Wärme umfangen.
Jannet, eine kleine Frau mit roten Backen, stellte rasch die Schüssel beiseite, in der sie Gerstenkörner zermahlen hatte. »Oh, Sir Jamies Frau! Ich habe Euch bei der Hochzeit bewundert - aber ich dachte nicht, dass ich Euch so bald wiedersehen würde.«
»Es geht ihr nicht gut, Jannet«, erklärte der Pächter, »und deshalb könnte sie was von deinem Stärkungstrank vertragen.«
»Oh, das arme Ding!« rief die Frau mitfühlend. »Ein kräftiges Schluck wird Eure Lebensgeister wieder wecken, Mistress . Kommt, setzt Euch ans Feuer! Kein Wunder, dass Euch übel ist - bei dieser Kälte!«
Sheena ließ sich auf einen Stuhl neben dem Feuer nieder und nahm dankbar einen Becher mit Wisky entgegen. Der Pächter und seine Frau standen lächelnd vor ihr. Das Zimmer, der einzige Raum in der Hütte, war spärlich eingerichtet, mit nur zwei Stühlen und einem Tisch, einem Bettschrank, Mehlkisten und ein paar Geräten. Die Eheleute, beide in mittleren Jahren, schienen ein kümmerliches Dasein zu fristen und trotzdem glücklich zu sein.
Sie fragte sich, ob ihr die beiden so feindlich gesinnt waren, wie es Black Gawain von seinem ganzen Clan behauptet hatte. Sie wirkten keineswegs unfreundlich, aber vielleicht waren sie nur entfernte Verwandte von Hamish MacKinnion.
»Warum seid Ihr so nett zu mir?« fragte Sheena unvermittelt.
Der Mann blinzelte überrascht. »Warum sollen wir denn nicht nett sein?«
»Ich bin eine Fergusson!« stieß sie mit scharfer Stimme hervor. »Ihr braucht mir nicht vorzumachen, dass Ihr das nicht wüßtet!«
Er grinste. »Glaubt Ihr wirklich, ich mache Euch was vor?«
»Ihr müßt mich doch hassen - genauso wie die anderen.«
»Von den anderen weiß ich nichts. Ich weiß nur, dass ich jeden Menschen nach seinen eigenen Verdiensten beurteile. Warum sollte ich Euch übelnehmen, woher Ihr stammt! Jetzt seid Ihr sowieso eine MacKinnion. Ihr werdet dem Laird einen Sohn schenken, und der wird eines Tages unser Laird sein. Ihr seid eine von uns, Mistress - oder zweifelt Ihr daran?«
Sheena bezweifelte es tatsächlich. Würde sie jemals anders darüber denken? Wohl kaum... Sie fühlte sich unendlich einsam, eine Ausgestoßene, die weder den MacKinnions noch den Fergussons angehörte. Und plötzlich wusste sie, dass sie nicht nach Hause zurückkehren konnte, solange die Fehde andauerte - nicht, wenn sie den Namen MacKinnion trug. Sie würde in ihrem Clan auf die gleiche Ablehnung stoßen wie hier inmitten der MacKinnions. Und wohin sollte sie sich jetzt wenden?
Jamie war eben erst von seinem Hengst gestiegen und hatte ihn dem Stallknecht übergeben, als Jessie Martin heranschlenderte und ihm den Weg versperrte. Er war nicht bereit, sich aufhalten zu lassen, und er hatte auch keine Lust, vor seinen Leuten ein Gespräch mit Jessie anzufangen. Da er ohne Rast nach Angusshire und zurück geritten war, wollte er nur noch schlafen.
Was für eine Zeitverschwendung war diese Reise gewesen ... Er wusste nicht genau, was er von der Unterredung mit Dugald erwartet hatte - jedenfalls mehr, als dabei herausgekommen war. Nach einem unfreundlichen Empfang von Seiten der Fergussons hatte er einen Zornesausbruch des alten Laird über sich ergehen lassen und war dann unverrichteter Dinge wieder aufgebrochen. Er kannte Dugald nicht gut genug, um zu wissen, ob der Mann ein begabter Lügner war oder die Wahrheit sagte. Obwohl seine Wut durchaus echt gewirkt hatte, war es möglich, dass sie nur als Mittel zum Zweck dienen sollte.
J amie zweifelte nicht an Dugalds Verbitterung. Anscheinend war Iain auf dem Heimweg gestorben, so wie Sheena es befürchtet hatte. Jamie hatte eine großzügige Regelung mit dem Laird von Fergusson getroffen, um ihn zu entschädigen - so wie er es bei allen tödlichen Unfällen zu handhaben pflegte. Doch das konnte weder Dugald noch dessen Vetter MacAfee besänftigen, der darauf bestanden hatte, an dem Gespräch teilzunehmen.
Jamie erinnerte sich, dass Niall höchst abfällig über MacAfee gesprochen und erklärt hatte, Sheena könne ihn nicht ausstehen. Und Jamie mochte diesen William MacAfee ebensowenig. Wäre dieser große, dürre Mann nicht zugegen gewesen, hätte er Dugald vielleicht geglaubt, der steif und fest behauptete, die Fergussons hätten das MacKinnion-Pacht- gut in jener Nacht nicht überfallen. Aber als Jamie den Angriff erwähnte, spielte ein höchst verdächtiges, selbstzufriedenes Lächeln um Sir William MacAfees Lippen. Jamie
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