Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn und Zärtlichkeit

Zorn und Zärtlichkeit

Titel: Zorn und Zärtlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
Vom Netzwerk:
diese Tatsache bedrückte sie.
    Natürlich hasst e sie Jamie - oder doch nicht? Was sie empfand, kam ihr wie Haß vor. Und wenn es kein Haß war - was mochte es dann sein? Warum schmolz sie dahin, wann immer er sie berührte? Dafür fand sie keine Erklärung.
    Sheena wünschte, sie könnte mit den Wolken davonfliegen und alles vergessen: ihre Heirat, Jamies eheliche Rechte - alles. Statt dessen würde sie in die Halle zurückkehren und eine weitere qualvolle Mahlzeit ertragen müssen. Und später? Wo konnte sie sich verstecken, um vor ihm sicher zu sein? Zu ihrem nicht geringen Ärger wurde sie von einer leisen inneren Stimme gefragt, ob sie sich wirklich verstecken wollte.
    Sie erschauerte in der Kälte und wickelte ihren Umhang fester um sich, während sie beobachtete, wie die Keiths durch das Schloss tor ritten. Würden sie in den dichten Wolken genug sehen, um ihren Weg den Hang hinab zu finden? Sie würde Thais und deren fröhliches Geplauder vermissen. Nun, vielleicht war es gut, dass die Gäste abreisten. Jetzt würde Jamie Zeit haben, um die Angelegenheit, die einen so düsteren Schatten auf die Hochzeitsfeier geworfen hatte, zu regeln - auf die eine oder andere Weise. Sie ertrug diese Ungewißheit nicht mehr, diese ständige Sorge um ihre Familie.
    »Auch Ihr solltet das Weite suchen - bevor noch mehr Menschen um Euretwillen sterben müssen.«
    Sheenas Atem stockte. Sie musste sich nicht umdrehen, denn sie kannte die bittere Stimme, die hinter ihr erklungen war. So schnell sie konnte, rannte sie davon, um Black Gawain zu entrinnen. Legte er so großen Wert auf ihr Verschwinden, dass er womöglich nachgeholfen hätte? Wie leicht könnte er behaupten, dass sie in der dicken Wolkenschicht gestolpert und über die Zinnenmauer gefallen war... Ein Unfall. Wer sollte das Gegenteil beweisen?
    Als sie in die warme Halle trat, zitterte sie immer noch. Doch hier fühlte sie sich sicher, und ihre Erregung ließ allmählich nach. Jamies Anwesenheit hatte zumindest einen Vorteil. In seiner Nähe brauchte sie nichts zu befürchten.
    Sie nahm an seiner Seite Platz, und er sagte kein einziges Wort zu ihr. Seine Stimmung war tatsächlich noch tiefer gesunken, nachdem sich fast alle Gäste verabschiedet hatten. Er bemerkte Sheenas Blässe nicht, nahm ihre Ankunft nur mit einem kurzen Seitenblick zur Kenntnis und setzte dann sein Gespräch mit Dobbin fort. Wenigstens würden ihr Daphne und Lydia Gesellschaft leisten und ihr helfen, die Anwesenheit Jessies zu übersehen, die neben ihrem Vetter saß.
    Die Mahlzeit, bei der sich der Laird und seine Frau tunlichst ignorierten, hätte einen einigermaßen angenehmen Verlauf genommen, wäre Black Gawain nicht aufgetaucht. Sheena spürte, dass er nicht nur wegen des Abendessens in die Halle kam. Sie starrte ihn an, wider Willen fasziniert von dem abgrundtiefen Haß in seinem Blick. Daphne sprach mit ihr, doch sie hörte nicht mehr zu. Gawain blieb hinter Jamies Stuhl stehen und verkündete mit durchdringender Stimme: »Hamish ist seinen Wunden erlegen.«
    Jamie drehte sich um. »Bist du sicher?« fragte er leise.
    Gawain nickte. »Das Problem ist nun - was willst du tun?«
    Es bedurfte einer gewissen Unverfrorenheit, James MacKinnion eine solche Frage zu stellen. Entweder war Black Gawain ein Narr, oder seine Rachsucht trieb ihn über jene Grenzen hinaus, die er in kluger Vorsicht hätte wahren müssen.
    Es war Colen, der ihm ärgerlich antwortete. »Ist das alles, woran du denken kannst, nachdem einer unserer Clanmänner gestorben ist? Man sollte ihn erst einmal begraben.«
    »Hätte dein Bruder an den Clan gedacht, statt an seine neue Frau, müßte man niemanden begraben«, lautete Gawains scharfe Entgegnung.
    Entsetztes Gemurmel klang auf. Wollte sich dieser Verrückte selber unter die Erde bringen? Wie durfte er es wagen, solche Anklagen gegen Jamie zu erheben?
    Langsam stand der Laird auf. Gawain musste den Kopf heben, um dem Blick dieser kalten braunen Augen zu begegnen.
    »Wenn man bedenkt, dass du nur ein Pachteinnehmer bist, erlaubst du dir eine ganze Menge, lieber Vetter«, sagte Jamie gelassen. »Du scheinst zu vergessen, wessen Dolch einen Fergusson durchbohrt hat - während sein ganzer Clan unter meinem Schutz stand.«
    »Und du vergißt, dass ich herausgefordert wurde!« verteidigte sich Gawain wütend.
    Jamies Stimme sank zu einem Flüstern herab. Nur Gawain hörte ihn erwidern: »Ich habe es nicht vergessen - aber ich zweifle heute wie damals, dass du herausgefordert

Weitere Kostenlose Bücher