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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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den Händen, das Licht der Kerzen funkelte auf dem Lauf. »Sie sind ein schwerfälliger Mensch, Zorn«, sagte er müde, fast gelangweilt. »Ich habe beobachtet, wie Sie lustlos durch die Ermittlungen gestolpert sind, deshalb musste ich Sie ein wenig aufrütteln. Ich gebe zu, das mit de Koops Anwalt in Ihrem Büro war vielleicht ein wenig theatralisch.«
    Theatralisch?, dachte Zorn. Ich hab mir fast in die Hose gemacht, du Arsch!
    »Ich werde dieses bekloppte Spielchen nicht mitmachen«, sagte er. »Machen Sie mich los. Wenn Sie sich stellen, lege ich vielleicht ein gutes Wort für Sie ein.«
    »Sie werden gleich erfahren, was passiert ist.«
    »Wo ist de Koop?«
    »Auch das erfahren Sie gleich.«
    Czernyk stand auf. Er taumelte, als habe er Schwierigkeiten, die Balance zu halten. Einen Moment hielt er sich am Brunnenrand fest, dann ging er auf Zorn zu. Seine Hüfte stieß gegen den improvisierten Tisch, die Werkzeuge klapperten, der Bunsenbrenner kippte um, ein Feuerzeug fiel zu Boden. Zorn bemerkte die Instrumente erst jetzt.
    »Was haben Sie vor, Czernyk?«, fragte er heiser.
    »Wir werden den Prozess neu aufrollen. Diesmal werden keine Beweise verschwinden, und es wird einen Schuldspruch geben, ein Urteil. Es wird vollstreckt werden.«
    »Erzählen Sie nicht so eine pathetische Gülle!«
    »In einer halben Stunde denken Sie vielleicht anders.« Langsam ging Czernyk zur Tür, die Waffe schlug gegen seinen Oberschenkel. »Es sei denn, Ihre Kollegen tauchen vorher hier auf. Aber ehrlich gesagt, glaube ich nicht so recht daran.«
    »Sie sind verrückt«, murmelte Zorn.
    »Nicht mehr als Sie. Ich muss jetzt ein paar Minuten weg.«
    »Wo wollen Sie hin?«
    »Ich hole die Angeklagten.«
    Die Angeklagten?, überlegte Zorn. Was bedeutet das?
    Czernyk nickte ihm zu.
    »Laufen Sie nicht weg, Kollege.«
    »Sehr witzig«, knurrte Zorn.
    Dann war er allein.

Dreiunddreißig
    »Sind Sie sicher, dass er dort ist, Frau Borck?«
    »Natürlich nicht, aber ich vermute es.«
    »Warum?«
    »Es dauert zu lange, Ihnen das zu erklären, Kollege Schröder.«
    »Wo sind Sie jetzt?«
    »Zu Hause. Und Sie?«
    »Ebenfalls, in der Küche meiner Eltern, um genau zu sein. Ich werde ein Einsatzkommando zum alten Solbad schicken.«
    »Tun Sie das nicht. Wenn ich das wollte, hätte ich im Präsidium angerufen und nicht bei Ihnen.«
    »Was sollen wir Ihrer Meinung nach tun?«
    »Ich muss mit ihm reden.«
    »Das werden Sie auch, Frau Borck. Wenn Jan Czernyk in Gewahrsam ist.«
    »Nein. Vorher.«
    »Auf keinen Fall. Sie werden dort nicht allein hingehen.«
    »Deswegen rufe ich Sie an. Ich wollte Sie bitten, mich zu begleiten.«
    »Es tut mir leid, aber ich kann hier im Moment nicht weg.«
    »Hören Sie, Herr Schröder. Alles, was ich brauche, ist ein wenig Zeit. Ein paar Minuten nur, damit ich mit ihm reden kann. Sie wissen selbst, was bei einem Sondereinsatz alles passieren kann. Ich habe Angst, dass alles aus dem Ruder läuft.«
    »Jan Czernyk ist gefährlich.«
    »Mir tut er nichts.«
    »Das können Sie nicht mit Sicherheit wissen.«
    »Bitte.«
    »Es ist gegen die Vorschriften.«
    »Fünf Minuten. Ich rede mit Jan, Sie warten in der Nähe. Wenn ich ihn dann nicht überzeugt habe, rufen Sie das Einsatzkommando.«
    »Das gefällt mir nicht.«
    »Sie sind der Einzige, dem ich vertraue, Kollege Schröder.«
    »Verbindlichsten Dank. Aber das ändert nichts an den Tatsachen.«
    »Ein paar Minuten, mehr will ich nicht.«
    »Ich muss nachdenken.«
    »Dazu ist jetzt keine Zeit!«
    »Gut. Wir treffen uns dort.«
    »Ich danke Ihnen.«
    »Sie sind ein starrköpfiger Mensch, Frau Staatsanwältin.«
    »Das war ich schon immer.«
    *
    Vorsichtig bewegte Zorn das Handgelenk, der Kabelbinder saß fest. Er zog stärker, der schwere Fensterrahmen bewegte sich, schabte über die Wand, etwas Putz rieselte herab, ansonsten passierte nichts. Das Blut kribbelte unangenehm in den Adern, doch die Schmerzen hielten sich in Grenzen. Mit der freien Hand versuchte er den Rahmen anzuheben, gab es aber sofort wieder auf. Das Ding schien Tonnen zu wiegen.
    So stand er denn da, den linken Arm nach oben angewinkelt, die gefesselte Hand in Kopfhöhe wie zum Gruß zur Faust geballt, er kam sich albern vor, wie ein Arbeiterführer in den dreißiger Jahren.
    Sein Geruchssinn war nach all den Jahren des exzessiven Rauchens nicht mehr der beste, trotzdem glaubte er, unter dem Gestank von feuchter Erde und brennendem Kerzenwachs das würzige Aroma der Sole wahrzunehmen, selbst den Geschmack

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