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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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rubbelte sie sich die Beine trocken.
    Nein. Zorn war ein antriebsloser, fauler Kerl, er würde ihr nur erklären, dass er Feierabend habe, dass sie bis morgen warten solle, wahrscheinlich schlief er sowieso schon längst, und sein Handy lag ausgeschaltet neben einem überquellenden Aschenbecher.
    Hastig lief sie ins Schlafzimmer, riss den Kleiderschrank auf und wühlte fröstelnd in ihren Sachen.
    Zorn war der Letzte, auf den sie sich verlassen konnte.
    Das würde sie auch nicht.
    Es gab ja noch Schröder.
    *
    Ein leises Klatschen, ein Bündel Kabelbinder landete neben Zorn auf dem Boden.
    »Aufheben.«
    »Ich denk ja gar nicht dran.«
    Zorn drehte sich um. Czernyk stand zwei Meter entfernt, irgendwo, vielleicht an einer Tankstelle, musste er geduscht und frische Sachen angezogen haben. Er sah wie früher aus, wie aus dem Ei gepellt. Das Haar war gewaschen, streng nach hinten gekämmt, der Anzug schien direkt aus der Reinigung zu kommen. Zorn sah die geputzten Schuhe, den akkurat gebundenen Schlips. Und die Waffe. Sie war direkt auf Zorns Brust gerichtet.
    »Sie wissen, dass ich damit umgehen kann«, sagte Czernyk. »Und sie wissen auch, dass ich es tun werde.«
    Ja, das wusste Zorn. Trotzdem, der Ärger überdeckte die Angst, gerade eben noch hatte er sich in einer filmreifen Aktion aus seinem Gefängnis befreit, jetzt starrte er in die Mündung einer kleinkalibrigen Sig Sauer.
    »Ich weiß, wo wir sind«, sagte er und wunderte sich selbst, wie gelassen er klang. »Als Kind war ich oft zum Inhalieren hier. Sie haben Spuren hinterlassen, Czernyk, als Sie mich freundlicherweise im Präsidium besucht haben. Salzspuren. Wir wussten nicht genau, woher sie stammen, aber drei Teams sind unterwegs und suchen alle Orte ab, die in Frage kommen. Es kann nicht mehr lange dauern, bis sie auch hier auftauchen.«
    Czernyk deutete mit dem Lauf der Pistole auf den Boden.
    »Ich sagte, Sie sollen das aufheben.«
    Zorn bückte sich, die Kabelbinder baumelten zwischen seinen Fingern wie steifgefrorene Regenwürmer.
    »Und jetzt?«
    Der Pistolenlauf wies zur Wand, neben Holzlatten und gesplitterten Schalbrettern lehnte ein großer gusseiserner Fensterrahmen. Zorn ahnte, was von ihm erwartet wurde, er trat näher. Der Rahmen war etwas größer als er und etwa doppelt so breit, das Glas war längst entfernt worden.
    »Festbinden, Zorn. Oben, am Querstreben.«
    »Welche Hand?«
    »Das dürfen Sie selbst entscheiden.«
    »Sehr gnädig.«
    Zorn schlang einen der Kabelbinder um das Metall, wand ihn um sein linkes Handgelenk und zog zu. Die Fessel befand sich ungefähr in Höhe seiner Augen, er musste den Arm rechtwinklig nach oben biegen. Czernyk legte die Pistole auf den Rand des Brunnens, kam heran und prüfte den Kabelbinder. Ein Ruck, das Plastik zog sich enger zusammen.
    »Scheiße Mann, wollen Sie mir den Arm abschnüren?«
    »Seien Sie keine Memme.«
    Zorn bewegte das Handgelenk, die Fessel grub sich ins Fleisch.
    Er war gefangen. Und er war wütend, sehr sogar.
    »Ich werde Ihnen nichts tun«, erklärte Czernyk ruhig. »Jedenfalls nicht, wenn Sie sich an die Regeln halten.«
    »Welche verdammten Regeln?«
    »Sie sind hier, weil ich einen Zeugen brauche. Sie werden genau aufpassen, und wenn das alles vorbei ist, werden Sie erzählen, was passiert ist.«
    Zorn lachte auf.
    »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich bei Ihrem kleinen privaten Rachefeldzug mitmache?«
    »Freiwillig wären Sie nicht mitgekommen, deshalb musste ich Sie niederschlagen. Sie sollen die Wahrheit bezeugen.«
    »Klar. Sie sind ein Killer, Czernyk.«
    »Das bin ich nicht.«
    »Ach, was denn dann?« Zorn zerrte an seiner Fessel, der schwere Fensterrahmen bewegte sich. »Ein Rächer ? Der einsame, unverstandene Held, der im Alleingang Verbrecher bestraft? Sie haben Menschen getötet, und nicht nur das, Sie haben mir eine verdammte Leiche hinter meinen Schreibtisch gesetzt!«
    Czernyk nahm die Pistole und setzte sich auf den Brunnenrand.
    »Vorsicht«, knurrte Zorn. »Sie versauen sich noch den Anzug.«
    »Erinnern Sie sich, was Sie mir auf dem Polizeiball erzählt haben?«, fragte Czernyk.
    Zorn schwieg. Seine Kiefer mahlten.
    »Es gab einen toten Banker und einen Unfall auf der Hochstraße«, sagte Czernyk. »Sie wussten nicht, ob und wie das alles zusammenhängt. Sie fragten, ob ich Ihnen helfen könne.«
    »Sie haben abgelehnt.«
    »Weil Sie mir nicht geglaubt hätten. Niemand hätte das. Ich wollte, dass Sie es selbst rausfinden.« Czernyk drehte die Pistole in

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