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Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
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Unbehagen verstärkte sich. Die Werkzeuge sahen bedrohlich aus, neben dem Bunsenbrenner und der Lötlampe lagen andere, kleinere Gegenstände, Skalpelle oder Pinzetten vielleicht, er konnte es nicht genau erkennen. Das Kerzenlicht wurde von geschliffenen Oberflächen reflektiert, scharfe, matt glänzende Metallspitzen verhießen nichts Gutes.
    Plötzlich ein Geräusch.
    Ein loser Fensterladen, der gegen das morsche Gestein schlug?
    Nein, das klang anders. Ein Schleifen, als würde Holz über Kies schaben.
    Zorn versteifte sich.
    Czernyk kam zurück.
    *
    Der alte Mann war wach.
    Es war kühl im Schlafzimmer von Schröders Eltern, die Heizung war abgedreht. Früher hatten sie bei offenem Fenster geschlafen, doch das taten sie seit einer Weile nicht mehr, in den letzten Jahren war es lauter geworden in der kleinen Seitenstraße.
    Jetzt war es ruhig.
    Im Keller sprang die Heiztherme an, der Wasserhahn in der Küche tropfte leise. Das Bellen des Nachbarhundes drang gedämpft ins Zimmer, Schröders Vater bemerkte es nicht.
    Die Frau neben ihm bewegte sich, murmelte im Schlaf. Was sie sagte, verstand er nicht, es war auch egal. Denn er hatte keine Ahnung, wer dieser Mensch war.
    Schröders Vater hob die Hand, hielt sie dicht vor die Augen.
    Er wusste auch nicht, wem diese alten, sklerotischen Finger gehörten.
    Es war so weit.
    Er wusste nichts mehr.
    *
    Nein. Das war nicht Czernyk.
    Er war im Westflügel verschwunden, das Geräusch kam aus einer anderen Richtung. Drei Türen gingen von der Badehalle ab, zwei lagen einander gegenüber. Die dritte, größte, war geschlossen. Ein halbrundes Oberlicht thronte über wuchtigen Flügeln, der Rahmen, früher reich mit Schnitzereien verziert, war gesplittert, von der ursprünglichen Farbe war nichts mehr zu erkennen. Dies war der Eingang, von dort kam das Schaben.
    Es folgten Schritte, ein unterdrücktes Schnaufen, unter dem Türspalt waren Bewegungen zu erkennen, Licht huschte hindurch. Ein Klappern, Metall auf Leder. Jemand stand im Eingang.
    Jetzt, dachte Zorn und die Erleichterung stieg in ihm auf wie ein herzförmiger roter Luftballon, haben sie mich gefunden, endlich! Das Einsatzkommando, sie haben den Laden umstellt, jetzt kann er einpacken, der feine Herr Czernyk!
    Ich bin hier, wollte er rufen, los, Jungs, kommt rein! Doch er presste die Lippen aufeinander, jeder Laut konnte Czernyk warnen. Zorn hatte keine Ahnung, wo Czernyk war, vielleicht hatte er sich zurückgeschlichen, stand im Eingang des Westflügels und lauerte in der Dunkelheit?
    Zorn hielt den Atem an und lauschte.
    Es war wieder still.
    Sicher war er nicht, das Herz klopfte ihm buchstäblich bis zum Hals, doch es schien, als habe er sich getäuscht. Nein, der Schatten unter dem Türspalt, er war vorher nicht da gewesen. Das waren Füße in derben Stiefeln, die Männer der Einsatzkommandos trugen solche Schuhe. Dort stand jemand und wartete.
    Los! Beeilt euch!
    Es war, als hätte man Zorns stummen Befehl gehört. Ein Scharnier quietschte, der rechte Türflügel öffnete sich knarrend, eine Holzlatte wurde beiseite geschoben, der runde Lichtstrahl einer starken Taschenlampe zuckte über die Wände, streifte den Brunnen, huschte über Zorns Gesicht und wurde dann auf den Boden gerichtet.
    Zorn erkannte die Umrisse einer schwerfälligen Gestalt.
    Komisch, dachte er, der Kerl trägt gar keinen Helm, und die Haare könnte er sich auch mal schneiden, eine Waffe hat er auch nicht und überhaupt, wieso hält er die Taschenlampe über den Kopf?
    Dann wurde ihm klar, wer da in der Tür stand. Zorns Beine wurden weich, doch die Fessel um das Handgelenk verhinderte, dass er komplett in die Knie ging.
    »Mein Freund!«, sagte eine Stimme.
    Im Eingang stand der Lampenmann.

Dreiunddreißig
    »Was machst du denn hier?«
    Das war das erste, was dem verblüfften Zorn einfiel.
    Der Lampenmann stand breitbeinig in der Tür, sein Atem ging schwer, als wäre er gerannt. Die dicke Armeejacke und der Rucksack ließen seine kräftige Gestalt plump erscheinen, trotzdem wirkte er seltsam verloren unter den hohen Flügeln der Eingangstür. Er blies sich in die Hände wie ein Bergsteiger, der Schutz in einer einsamen Hütte sucht, dann schloss er die Tür hinter sich, die Kerzen flackerten im Luftzug, er kam näher und blieb neben dem Brunnen stehen.
    »Gott hat mich hergerufen.« Er sah sich um. Die Kopflampe folgte jeder seiner Bewegungen. »Es ist schön hier. Ich mag Kerzen.«
    »Du musst mich losbinden!«, sagte

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