Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zorn - Wo kein Licht

Zorn - Wo kein Licht

Titel: Zorn - Wo kein Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Ludwig
Vom Netzwerk:
buchstäblich mit dem Rücken zur Wand.
    »Jetzt hören Sie mal«, verteidigte er sich. »Sie können nicht erwarten, dass …«
    »Nein«, unterbrach Zorn, » Sie hören mir jetzt zu, Kollege …«
    Zorn wedelte hilflos mit der Hand durch die Luft. Er kannte den Wachtmeister, aber sein Name wollte ihm ums Verrecken nicht einfallen. In seinem Kopf war nichts als Leere. Und die Angst um Schröder.
    »Grützner«, half der Wachtmeister.
    »Wie auch immer.«
    Plötzlich hielt Zorn eine brennende Zigarette in den Fingern, wann er sie angezündet hatte, wusste er nicht. Weit hinten tauchte der Gedanke an die Bürofenster auf, die sich wegen der Klimaanlage nicht öffnen ließen. Und an die Rauchmelder an der Decke.
    Egal. Das war jetzt nicht wichtig.
    »Ich will wissen, in welchem Krankenhaus Schröder liegt«, knurrte er und gab sich Mühe, ruhig zu klingen. »Ob er verletzt ist und wenn ja, wie schwer. Etwas anderes interessiert mich im Moment nicht.« Er nahm einen tiefen Zug von der Zigarette, langsam wurde er ruhiger.
    »Seit wann fährt der überhaupt Auto?«, sagte er mehr zu sich selbst.
    »Das hat er sich erst vor ein paar Wochen gekauft«, erklärte der Wachtmeister. »So ein gelbes, kleines Ding, sieht aus wie ein Elefantenturnschuh. Das ganze Präsidium hat gelacht, als er das erste Mal mit dem Teil angekommen ist. Haben Sie das nicht mitgekriegt?«
    Nein, das hatte Zorn nicht. Wie so vieles, was Schröder betraf.
    »Sie melden sich in fünf Minuten bei mir, dann erwarte ich Ergebnisse.« Zorn sah sich im Zimmer um, auf der Suche nach einem Aschenbecher. Den gab es nicht, also nahm er eine von Schröders Kaffeetassen. »Und noch etwas. Wenn das erledigt ist, kümmern Sie sich um die Unfälle. Ich will, dass jeder Stein auf der Brücke umgedreht wird, jedes Auto wird auseinandergenommen, bis zur letzten Schraube.«
    Wachtmeister Grützner nickte wortlos und verließ das Zimmer.
    Ich warne dich, Schröder, dachte Zorn und drückte die Zigarette aus. Wenn dir irgendwas passiert ist, bring ich dich um. Ich brech dir jeden einzelnen Knochen, darauf kannst du dich verlassen, Freundchen.
    Dann sackte er in seinen Sessel und vergrub das Gesicht in den Händen.
    Draußen auf dem Flur blieb der Wachtmeister stehen und knurrte eine Verwünschung.
    »Aufgeblasenes Arschloch.«
    Zorn hörte es nicht.
    Selbst wenn, es wäre ihm egal gewesen.
    *
    Knapp anderthalb Stunden später wusste Zorn noch immer nichts. Im Büro fiel ihm die Decke auf den Kopf, irgendetwas musste er tun, doch er hatte keine Ahnung, was. So tigerte er denn ruhelos durchs Präsidium, gab Anweisungen und blaffte jeden an, der das Pech hatte, ihm über den Weg zu laufen. Als auch das nichts half, stürmte er schließlich ins Büro der Staatsanwältin.
    »Neunzig Minuten, verdammt!« Zorn war völlig außer Atem, er hatte sich nicht die Mühe gemacht anzuklopfen. »Und niemand weiß, was mit Schröder ist!«
    Frieda Borck saß hinter ihrem Schreibtisch und telefonierte. Mit der einen Hand schirmte sie den Hörer ab, mit der anderen gab sie ihm zu verstehen, dass er die Tür schließen solle.
    Es knallte, dann baute sich Zorn breitbeinig vor ihrem Schreibtisch auf.
    »Wie können Sie seelenruhig dasitzen und rumtelefonieren, während Schröder …«
    »Halten Sie den Mund!«
    Zorn gehorchte. Allein ihr Blick hätte einen Kampfhund verstummen lassen.
    Die Staatsanwältin klemmte den Hörer zwischen Schulter und Ohr, nahm einen silbernen Kugelschreiber und kritzelte etwas auf ein Stück Papier. »Nein«, sprach sie in den Hörer, »Sie waren natürlich nicht gemeint.« Ein weiterer, vernichtender Blick zu Zorn. »Seien Sie so nett und schauen noch einmal nach. Sofort, bitte. Ja, ich warte.«
    Sie trug ein schwarzes, eng anliegendes Kleid, das dunkelblonde, gelockte Haar hatte sie im Nacken zu einem Knoten geschlungen. Unter anderen Umständen hätte er sie wahrscheinlich wieder einmal attraktiv gefunden, doch jetzt war keine Zeit dafür. Stattdessen trat er von einem Bein aufs andere und schob das Kinn vor.
    »Kein Wort«, formte sie mit den Lippen, »oder ich vergesse mich!«
    Er sah auf die Uhr an der Wand hinter ihrem Schreibtisch: Gleich Viertel vor eins. Frieda Borck hielt den Hörer ans Ohr gepresst und lauschte schweigend.
    Es dauerte lange. Viel zu lange, fand Zorn. Er nahm die Brille ab und drehte sie in den schweißnassen Händen. Es fehlte nicht viel, und er hätte mit den Füßen aufgestampft.
    »Gut«, sagte sie nach einer Ewigkeit. »Ja,

Weitere Kostenlose Bücher