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Zorn

Zorn

Titel: Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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Daniel von der Mordkommission sich zu ihnen gesellten.
    »Es ist ihre Bluse«, flüsterte Carter Lucas zu. »Die Mädchen sind tot.«
    Daniel betrachtete die Bluse ziemlich lange, schüttelte den Kopf, sagte etwas zu den drei Detectives, die mit den Veteranen sprachen, drehte sich um und kehrte zu Lucas und Carter zurück. »Wir müssen uns den Häuserblock vornehmen, Tür für Tür. Carter, ich habe bereits mit Phil gesprochen.« Phil Blessing war der Leiter der Uniformierten. »Er trommelt zwanzig Leute zusammen, die die Häuser abklappern sollen. Glauben Sie, Sie können das koordinieren?«
    »Ich denke schon«, antwortete Carter.
    Daniel wandte sich Lucas zu. »Das wird ein ziemliches Chaos geben. Ich leih Sie aus. Fahren Sie nach Hause, und ziehen Sie Hemd und Krawatte an. Sie haben doch ein Hemd und eine Krawatte, oder?«
    »Klar.«
    »Gut. Ich spanne Sie mit Sloan zusammen. Gehen Sie von Tür zu Tür. Wir befragen jeden im Umkreis von einem Kilometer. Nehmen Sie den Streifenwagen, und in zwanzig Minuten sind Sie wieder hier.«
    »Verstanden, Chef«, sagte Lucas.
    Daniel war sein Vorgesetzter im Drogendezernat gewesen, gleich nach der Polizeischule, und hatte sich so sehr für Lucas interessiert, dass dieser sich kurz gefragt hatte, ob er schwul war. Doch irgendwann war ihm klar geworden, dass Daniel wissen wollte, wie andere, auch junge Polizisten, die Welt sahen. Außerdem hatte Lucas gemerkt, dass Daniel ehrgeizig war und jetzt schon wie der Chef behandelt werden wollte.
    Lucas war klar, dass sein Einsatz in Zivil keine Beförderung bedeutete. Er wurde gebraucht, um die nominelle Zahl der Beamten zu erhöhen, die an diesem Fall arbeiteten. Vor Ende der Nacht würden vier oder fünf weitere Streifenpolizisten dazukommen, die in Hemd und Krawatte Befragungen durchführten.
    Lucas stieg in den Streifenwagen und lenkte ihn zum Ende des Blocks, wo er Blaulicht und Sirene einschaltete. Die Autos vor ihm fuhren an den Straßenrand, um ihm Platz zu machen, die Fußgänger sahen ihm vom Gehsteig aus neugierig nach. Vielleicht fragten sie sich, warum er lächelte.
    Sechs Minuten später erreichte er seine Wohnung. Weitere sechs Minuten brauchte er, um seine Kleidung auszuwählen: eine khakifarbene Hose, ein kurzärmeliges weißes Hemd und eine marineblaue Leinensportjacke sowie eine weinrote Krawatte. Er zögerte, bevor er in das kurzärmelige Hemd schlüpfte, weil Esquire für kurzärmelige Hemden nur Verachtung übrighatte, aber die Redakteure der Zeitschrift mussten vermutlich auch nicht bei über dreißig Grad Häuser in Slums abklappern.
    Dazu kamen schwarze Halbschuhe, marineblaue Kniestrümpfe und ein Smith-&-Wesson-Model-40-Revolver mit Gürtelholster. Lucas warf einen Blick in den Spiegel.
    Lucas liebte Kleidung, begriff sie als bewusst gewählten Ausdruck der Individualität, beziehungsweise als Hinweis auf deren Mangel, und nahm sie deshalb sehr ernst. Kleidung stellte so etwas wie eine Uniform dar, und es machte sich bezahlt, wenn man als Polizist die Uniform des Menschen richtig deutete, mit dem man es zu tun hatte. So konnte man leichter zwischen Drogendealer, Hippie, Vergewaltiger, Biker, Skater, Künstler und Penner unterscheiden. Häufig zumindest …
    Abgesehen von seinem intellektuellen Interesse an Kleidung wollte Lucas gut aussehen.
    Das tat er auch, dachte er, als er das Apartment verließ – nach wie vor nicht ganz glücklich über das kurzärmelige Hemd.

DREI
    Lucas klopfte mit Sloan bis tief in die Nacht an Türen. Normalerweise hätten sich genug zwielichtige Gestalten auf den Straßen herumgetrieben – im Frühjahr war Crack aufgekommen, und das geriet allmählich außer Kontrolle –, um die Arbeit stressig zu machen. In dieser Nacht jedoch waren so viele Polizisten unterwegs, dass die zwielichtigen Gestalten das Feld geräumt hatten.
    »Das Crack hat merkwürdige Folgen«, bemerkte Sloan, während sie zwischen den Häusern, Straßenlaternen und Ulmen entlangtrotteten. »Die Zuhälter sind rausgeflogen. Bis dahin hatten wir gedacht, dass die Nutten ihre Sklavinnen sind. Scheint doch ein bisschen komplizierter zu sein.«
    »Stimmt, einige von den Jungs hab ich lange nicht gesehen«, sagte Lucas.
    »Sie sind verschwunden. Haben einen Tritt in den Arsch gekriegt und sich was anderes suchen müssen«, erklärte Sloan.
    »In meiner Zeit im Drogendezernat war Crack noch nicht aktuell. Ein paar Typen haben Kokain geraucht, aber ansonsten ging’s nur ums Schnupfen.«
    »Da draußen scheint sich

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