Zorn
Küchentisch und betrachtete einen vollgestopften blauen Aktenordner. Während der Ausbildung hatte er in einem Haus mit Computerfreaks gewohnt, die seine Lust an Rollenspielen weckten. Er hatte ein Modul geschrieben und damit die Nerds schwer beeindruckt, die behaupteten, es sei so gut wie die kommerziellen.
Im Gespräch mit den Computerleuten hatte er die Idee zu einem Strategiespiel auf Football-Basis entwickelt, das den in den Siebzigern beliebten Kriegsspielen ähnelte, jedoch am Computer ausgetragen wurde. Einer von den Computertypen hatte versprochen, es zu programmieren, wenn Lucas sich die Szenarien ausdachte. Das war schwieriger gewesen als erwartet, und am Ende hatte Lucas einen Kurs in Statistik belegt, weil er wollte, dass das Spiel möglichst real wirkte.
Nach einem Tag erfolgloser Suche nach den Mädchen erschien Lucas der Ordner albern. Kindische Spiele im Vergleich zu dem, was da draußen lief.
Er beschäftigte sich eine Weile mit den Unterlagen zu den Coaching-Modulen, bevor er sich ein zweites Bier holte und einen Blick auf die Uhr warf. Zwei Uhr morgens. Ob Cherry und McGuire zu Kenny’s gegangen waren? Was hatten sie dort wohl herausgefunden?
Weil er keine Ruhe finden konnte, nahm er seine Sportjacke, stieg in seinen Jeep, fuhr ins Stadtzentrum, stellte den Wagen ab und betrat die City Hall. Obwohl es in dem Gebäude dunkel war, wimmelte es auf den Gängen von Polizisten. Lucas fragte einen Uniformierten namens Morgan, was sich in der Zwischenzeit getan habe.
»Nichts«, antwortete Morgan. »Keine Spur von ihnen. Jetzt reden die Leute wieder vom Fluss.«
»Ich glaube nicht, dass sie im Wasser sind«, sagte Lucas. »Wie viele Männer sind an dem Fall dran?«
»Im Moment? Ein halbes Dutzend. Daniel ist noch hier, aber allmählich werden alle unruhig – der Übertragungswagen vom Fernsehen dreht seine Runden. Die Sache entwickelt sich zu einem Zirkus.«
»Haben Sie Cherry oder McGuire gesehen?«, fragte Lucas.
»Schon eine ganze Weile nicht mehr.«
Lucas ging zur Mordkommission, streckte den Kopf zur Tür hinein und sah, dass Daniel sich, die Füße auf dem Schreibtisch, mit zwei Detectives unterhielt. Lucas trat ein und hielt sich im Hintergrund, bis Daniel sagte: »Davenport. Was gibt’s?«
»Ich wollte fragen, ob Cherry und McGuire etwas bei Kenny’s rausgefunden haben.«
Daniel schüttelte den Kopf. »Nicht viel mehr als Sie.« Er warf einen Blick auf ein Blatt Papier auf seinem Schreibtisch. »Das Lokal war schon geschlossen, aber sie haben mit dem Geschäftsführer gesprochen. Seiner Ansicht nach ist ein gewisser John der Täter. Niemand weiß, wo er wohnt oder wie man mit ihm Kontakt aufnehmen könnte.«
»Sie haben also etwas rausgefunden«, stellte Lucas fest.
»Ja, besser als nichts«, sagte Daniel.
Einer der Detectives mischte sich ein. »›John‹. Schränkt den Kreis der Verdächtigen ungemein ein.«
»Wieso sind Sie immer noch unterwegs?«, fragte Daniel Lucas, ohne die Bemerkung des Detective zu beachten.
»Konnte nicht schlafen«, antwortete Lucas. »Wenn’s Ihnen recht ist, nehme ich mir den Massagesalon gegenüber von Kenny’s vor. Es sei denn natürlich, Cherry und McGuire haben das schon erledigt.«
»Nein, haben sie nicht«, sagte Daniel. »Warum sollten sie?«
»Wissen die nicht, dass John die Mädels kennt?«, fragte Lucas.
Ein verärgerter Blick huschte über Daniels Gesicht. »Wahrscheinlich nicht. Sie haben das nicht erwähnt?«
»Die beiden haben uns gesagt, wir sollen uns vom Acker machen«, antwortete Lucas. »Mir waren also die Hände gebunden.«
»Kommen Sie mal mit mir raus«, forderte Daniel ihn auf und erhob sich. Auf dem Flur fragte er ruhig, aber bestimmt: »Halten Sie Informationen zurück, um sich selber Sporen zu verdienen? Der Fall mit den beiden Mädchen ist nicht die richtige Gelegenheit dafür.«
»Nein, niemals!«, log Lucas. »So was würde ich nicht tun.«
»Sie hätten Cherry und McGuire sagen sollen, was die Frau Ihnen erzählt hat.«
»Die wollten es nicht hören«, verteidigte sich Lucas. »Die haben gesagt: ›Los, Kleiner, geh Klinken putzen.‹«
Daniel überlegte. »Ich kann Ihnen keine Überstunden zahlen. Aber fahren Sie hin. Wenn sich was ergibt, können Sie mit meiner Unterstützung rechnen.«
Lucas nickte. »Okay. Wie lange sind Sie noch hier?«
»Nicht mehr lange. Rufen Sie mich an, wenn Sie was Wichtiges rausfinden – aber nur dann.« Er gab Lucas seine Privat- und seine Büronummer.
»Ist bei der
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