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Zorn

Zorn

Titel: Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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irgendwo ein genialer Chemiker rumzutreiben«, sagte Sloan.
    »Eher ein Verkaufsgenie«, entgegnete Lucas. »Stoff für jedermann.«
    Sloan war einige Jahre älter als Lucas, ein schmaler Mann, der gern erdfarbene Kleidung von JCPenney trug. Das einzig Auffällige an ihm war für gewöhnlich der glänzend grüne Schlips, den vermutlich seine Frau für ihn ausgesucht hatte. Aufgrund seines fürsorglichen, sanften Umgangs mit Verdächtigen hatte er sich einen Ruf als guter Vernehmer erworben. Nicht nur seine Kleidung war konservativ, sondern auch sein Lebensstil. Er hatte mit achtzehn seine Freundin aus der Highschool geehelicht, vor seinem einundzwanzigsten Lebensjahr zwei Töchter gezeugt und machte sich Gedanken über allerlei Versicherungen. Obwohl Lucas ganz anders war als er, konnte er ihn gut leiden. Sloan besaß Humor, Grips und eine angemessene Selbsteinschätzung, war ruhig und gelassen.
    »Man munkelt, dass du zu den Kollegen in Zivil wechseln willst«, bemerkte Sloan, als sie das dunkle Ende eines Blocks umrundeten, um sich eine neue Reihe Häuser vorzunehmen. »Das ist eine ganz andere Welt als die Streife. Streife ist wie Football, Zivil wie Schach.«
    »Oder Eishockey«, sagte Lucas.
    Sloan musterte ihn argwöhnisch. »Meinst du das ironisch?«
    »Wieso?«, fragte Lucas.
    »Es ist allgemein bekannt, dass Eishockeyspieler fast genauso dämlich sind wie Baseballspieler.«
    »Das wusste ich gar nicht«, erwiderte Lucas.
    »Stimmt aber«, sagte Sloan. »Unter den großen College-Sportarten nimmt Football im Hinblick auf die Intelligenz den obersten Rang ein, dann folgen Ringen, Basketball, Golf, Schwimmen, Eishockey, Baseball und Tennis, in dieser Reihenfolge.«
    »Tennis ganz am Schluss?«
    »Ja. Und je weiter man nach Westen kommt, desto dämlicher werden die Athleten«, antwortete Sloan. »Im Mittleren Westen sind die Tennisspieler strunzdumm. Und jenseits der Rockies? Frag lieber nicht.«
    »Das wusste ich auch nicht.«
    »Eishockeyspieler eben.«
    Sie drückten das Tor in einem Maschendrahtzaun vor einem schindelgedeckten Haus mit einer kaputten Couch auf der schmalen Veranda auf, hinter der in einem Fenster Licht brannte. Sloan richtete den Strahl seiner Taschenlampe auf einen Metallpfosten im Hof, um den die Erde kreisförmig aufgewühlt war, und bemerkte: »Bissiger Hund.«
    »Könnte auch ein Platz fürs Hufeisenwerfen sein«, sagte Lucas.
    Sloan lachte. »Ich lasse mal lieber dir den Vortritt.«
    Als Lucas an der Tür klopfte, hob dahinter lautes Bellen an.
    »Bissiger Hund«, wiederholte Sloan. »Klingt nach Bullterrier.«
    Zwei Minuten vergingen, ohne dass jemand reagiert hätte. Als Lucas noch einmal gegen die Tür hämmerte, ging im hinteren Teil des Hauses Licht an. Eine weitere Minute, dann tauchte ein Mann auf, öffnete die Tür einen Spalt und sah sie über die vorgelegte Kette hinweg an. »Was wollen Sie?«
    Sloan erklärte es ihm, und der Mann schüttelte den Kopf. »Ich hab keine weißen Mädchen gesehen.« Der Hund schnüffelte am Hosenbein des Mannes herum, und seine Krallen scharrten ungeduldig übers Linoleum. »Lassen Sie mich wieder ins Bett. Ich muss morgen um fünf raus.«
    Auf dem Weg zurück zum Gehsteig fragte Sloan: »Hast du die Sache mit Park Brubaker gehört?« Brubaker war ein Detective koreanischer Abstammung, der wegen Drogendelikten vom Dienst suspendiert war und mit einer Strafe rechnen musste.
    »Ja. Dumm gelaufen.«
    »Er hatte Probleme«, erklärte Sloan.
    »Ich hab auch Probleme«, sagte Lucas. »Trotzdem mach ich keinen solchen Scheiß.«
    Sie klopften an einer Tür in der Thirty-fifth Avenue, die ein grobknochiger Weißer mit Hemingway-Bart, verschwitzter Stirn und riesiger Nase öffnete.
    »Wir haben nichts gesehen, weil wir vor dem Fernseher saßen«, teilte er ihnen mit.
    Die Frau, die hinter ihm stand, bemerkte: »Erzähl ihnen von John.«
    »Wer ist John?«, wollte Lucas wissen.
    »So ein Typ bei Kenny’s«, antwortete der Mann zögernd. »Keine Ahnung, wie er sonst noch heißt.«
    »Der hat einen Verdacht«, sagte die Frau.
    Der Mann sah sie mit finsterer Miene an.
    »Was ist nun mit diesem John?«, hakte Lucas nach.
    »Er meint, wahrscheinlich war’s ein Verrückter, der sich hier im Viertel rumtreibt«, antwortete der Mann.
    »Kennen Sie den Verrückten?«, erkundigte sich Sloan.
    »Nein. Aber wir haben John von ihm reden hören.«
    »Und ihn rumlaufen sehen«, ergänzte die Frau.
    »Hat John verraten, warum er den Verrückten verdächtigt?«, fragte

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