Zorn
schwarzem Bart ausgegeben hatten? Er zog das Ding ab, so dass der Kleber die Haut um seinen Mund und seine Nase straffte, und schob den Bart zwischen die Sitze des Vans. Der Killer warf einen Blick in den Rückspiegel: An seinem Gesicht waren Kleberreste. Er zupfte sie weg, bevor er den Wagen aus dem Parkplatz lenkte.
Wenn nur …
Ein großer Teil seines Lebens schien sich um diese Worte zu drehen. Wenn nur …
Wenn der Wohnblock nur an einer anderen Stelle geplant worden wäre, wenn die Jones-Mädchen nicht gefunden worden wären. Dann wäre der Alte noch am Leben, und er selbst würde weiter in Ruhe nach Trödel suchen und Geld für eine weitere Reise nach Thailand sparen.
Wenn diese Kelly Barker nur allein dort gewesen wäre, wenn er nicht von der Kugel getroffen worden wäre. Wer waren die Leute überhaupt gewesen? Vermutlich Cops. Oder Leibwächter? War das Ganze eine Falle gewesen? Hatte er irgendjemanden getroffen? Wahrscheinlich. Schließlich hatte er das ganze Magazin leergeschossen …
Wenn das tatsächlich Bullen gewesen waren und er einen erwischt hatte, würden sie ihn bis ans Ende der Welt verfolgen. Er machte das Radio an, suchte nach Nachrichten, aber es kamen keine. Der Killer schaltete wieder aus, versuchte, sich aufs Fahren zu konzentrieren. Seine Seite schmerzte schlimmer als zuvor, und ihm brach der Schweiß aus.
Den Schmerz würde er in den Griff bekommen, dachte er, und auch die Wunde. Er hatte noch Oxycodon, das von einer Wurzelbehandlung übrig geblieben war, und dazu unterschiedliche Antiseptika.
Er musste nach Hause …
Schweiß lief ihm in Strömen von der Stirn, als er in seine Auffahrt einbog und den Wagen in die Garage lenkte. Er hatte keine Ahnung, warum er schwitzte – so schlimm war die Verletzung nicht. Und der Schmerz fühlte sich eher dumpf als scharf an.
Der Killer kletterte aus dem Van, ging ins Bad, schlüpfte aus dem Hemd, zog die Zeitung von seiner Haut und betrachtete die Wunde. Sie blutete nicht mehr so heftig wie zuvor. Gut. Im Arzneimittelschränkchen fand er Oxycodon und Amoxicillin, das er bei einer Ohrenentzündung benutzt hatte. Dazu Pflaster und eine Tube antiseptischer Salbe.
Ihm fiel der Erste-Hilfe-Kasten aus dem Van ein. Er hatte sich nie die Mühe gemacht hineinzuschauen. Darin befand sich doch sicher Verbandszeug, oder? Der Killer holte den Kasten aus dem Van, öffnete ihn und entdeckte darin Mull und eine Rolle medizinisches Tape. Er brachte alles ins Bad, verteilte antiseptische Salbe auf der Wunde und drückte die Mull-Pads darauf. Dann versuchte er, sie mit dem Tape festzukleben, aber sie hielten nicht richtig, weil das für Finger und Zehen gedachte Tape weder lang noch stark genug war. Der Killer holte eine Brottüte, riss ein Stück von dem Plastik herunter, das groß genug war, um die Pads zu bedecken, und klebte alles mit langen Streifen Isolierband am Körper fest.
Nicht schlecht, dachte er, als er sich im Spiegel betrachtete. Die Wunde war schmerzhaft, aber nicht tödlich, vorausgesetzt, sie infizierte sich nicht. Er schluckte eine Oxycodon- und eine der Antibiotika-Tabletten und nach kurzem Zögern zur Sicherheit noch jeweils eine.
Dann ging er ins Wohnzimmer und legte sich aufs Sofa, suchte sich eine halbwegs bequeme Stellung, schaltete den Fernseher ein und zappte sich durch die Kanäle.
Nichts. Noch hatten die Medien nicht von der Schießerei Wind bekommen. Keine Sondersendung – vielleicht war doch niemand verletzt worden.
Er konnte nur hoffen, dass sich niemand sein Kennzeichen gemerkt hatte. Wenn, dachte er, wäre die Polizei aber sicher schon vor seiner Tür aufgetaucht.
Mit diesem Gedanken döste er ein, müde von der aufregenden Aktion und benommen von den Tabletten.
Er erwachte desorientiert und sah auf die Uhr. Nach halb zehn. Bald kamen die Nachrichten.
Der Killer wartete gespannt. Gespannt, welche Wirkung seine Schüsse gehabt hatten, wo darüber berichtet wurde. Gespannt, wie man ihn beschreiben würde. Gespannt, was sie wussten …
Er ging in die Küche, nahm drei Wiener Würstchen aus dem Kühlschrank und dazu ein Glas Sauerkraut, steckte die Würstchen ins Kraut, schob alles in die Mikrowelle, legte drei Hotdog-Brötchen zurecht und spritzte Meerrettich-Senf aus einer Flasche darauf.
Wenig später piepste die Mikrowelle, und das Essen war fertig. Er setzte sich auf die Couch und sah sich das Ende eines komplizierten Krimis an, bis die Nachrichten begannen.
Eine Frau vor dem Haus der Barkers berichtete: »Ein
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