Zornesblind
Billys Fall aufgetaucht sind. Tja, und Dalias Verhalten macht mich natürlich stutzig.«
»Wegen Dalia brauchen Sie sich überhaupt keine Sorgen zu machen, Detective.«
»Ich denke doch.« Striker drängte einen Schritt näher an Ostermann heran und betrachtete dessen Hals. Die feuerroten Striemen auf der Haut. »Woher haben Sie die?«
Ostermanns Gesicht verdunkelte sich zusehends. »Ich glaube kaum, dass Sie das etwas anzugehen hat.«
»Irrtum, es geht mich etwas an. Im Zuge meiner Ermittlungen sind Sie sogar verpflichtet, mir Rede und Antwort zu stehen.« Striker zog die Hände aus den Manteltaschen und machte eine ausgreifende Geste. »Ich sehe, dass ein Mädchen panisch rausrennt, als würde das Haus in Flammen stehen, und ich sehe die roten Stellen in Ihrem Nacken und Rücken, als hätten Sie sich verbrannt. Da drängt sich mir zwangsläufig die Frage auf, ob hier alles in Ordnung ist.«
Einen kurzen Moment lang nahmen Dr. Ostermanns Augen einen panisch-gehetzten Ausdruck an, und Striker fürchtete halb, der Mann würde türmen. Oder ihn angreifen. Der Arzt tat jedoch nichts dergleichen. Er sah Striker eindringlich an, fasste sich und lachte jovial.
»Denken Sie etwa, ich missbrauche meine Familie?«, fragte er dann.
»Der Gedanke kam mir kurz.«
Dr. Ostermann wurde ernst. »Sie haben eine überbordende Fantasie, Detective.« Er schob seinen Hemdkragen über das Schlüsselbein, damit Striker die Stellen besser sehen konnte. »Das ist Gürtelrose.«
»Gürtelrose?«
»Ja. Ausgelöst vom Herpes-Zoster-Virus. Ich bin sicher, Sie haben davon gehört: das Windpockenvirus.« Als Striker nicht antwortete, führte der Mediziner aus: »Es wird für gewöhnlich erst dann kritisch, wenn die Abwehrkräfte geschwächt sind. Und daran bin ich bestimmt nicht ganz unschuldig. Ich arbeite seit einem halben Jahr sechzig bis siebzig Stunden pro Woche. Stress im Mapleview, Stress im Riverglen, kein Wunder, dass mein Körper sich dagegen auflehnt. Und dann das Drama mit Billy – das war vermutlich der Auslöser.«
»Gürtelrose«, wiederholte Striker.
Dr. Ostermann nickte langsam. »Die letzten beiden Tage waren sehr unangenehm. Ich habe Ausschlag am Hals, im Rücken- und Taillenbereich, und ich kann mich kaum bewegen. Das Duschen wird zur Qual.«
»Und was war eben mit Dalia?«, wechselte Striker das Thema.
»Sicher wieder Stress mit ihrer Mutter«, seufzte Ostermann. »Deshalb war ich auch vorhin oben. Die beiden sind sich sehr ähnlich, und wenn sie streiten, lässt man sie am besten in Ruhe und mischt sich nicht ein.«
»Und wo ist Ihre Frau jetzt?«
»Ich vermute mal, im Bad. Sie ließ Badewasser einlaufen, als es klingelte.« Dr. Ostermann seufzte. »Wenn Sie darauf bestehen, hole ich sie selbstverständlich aus der Wanne.«
Striker ignorierte die spitze Bemerkung und brachte die Unterhaltung auf andere Themen. »Wie lange war Mandy Ihre Patientin?«
Dr. Ostermann hob eine Braue. »Aha, anderes Thema. Wie lange Mandy Gill meine Patientin war? Das kann ich nicht genau sagen. Jedenfalls ein paar Jahre.«
»Und Sarah Rose?«
»Auch.«
»Und Billy?«
»Ich habe Billy seit seiner Rückkehr aus Afghanistan behandelt, er bekam damals mein Programm empfohlen. Das müssten ungefähr drei Jahre sein. Ist das wichtig, Detective?«
»Und wie lange war Larisa Logan bei Ihnen in Behandlung?«
»Soso, Larisa, verstehe.« Er wiegte den Kopf. »Tut mir leid, aber dazu kann ich wenig sagen.«
»Ich weiß, dass Sie ihr Arzt waren.«
»Das will ich weder bestätigen noch abstreiten.«
»Machen Sie sich keine Mühe, es wurde mir bereits bestätigt. Ich weiß, dass Sie alle vier betreuten: Mandy, Sarah, Billy und Larisa. Jetzt sind drei von ihnen tot, und Larisa ist verschwunden. Finden Sie das nicht auffällig?«
Dr. Ostermann ließ sich schwer in einen Sessel sinken und stöhnte gequält auf. »Nein, Detective. Es sagt mir lediglich, dass ich hätte sehen müssen, wie gefährlich Billy war. Und dass ich mit meiner Therapie bei ihm gescheitert bin. Das kostete zwei, womöglich sogar drei unschuldige Menschen das Leben.«
Striker blieb unbeeindruckt. »Es sagt mir noch etwas anderes: dass ich womöglich den Falschen verdächtigt habe.«
Der Psychiater wurde blass. »Das ist eine infame Unterstellung, Detective, das lasse ich mir nicht bieten!«
»Das glaub ich Ihnen gern.«
Dr. Ostermann schälte sich unbeholfen aus dem Sessel. »Ich halte es für besser, wenn Sie jetzt gehen, Detective. Und wenn Sie das nächste
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