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Zornesblind

Zornesblind

Titel: Zornesblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Slater
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riss den Blick von dem Text. Die Natter! Der Kerl musste hier irgendwo stecken. Er brachte seinen Rücken an die Wand und schob sich langsam in eine Ecke, die Taschenlampe in der einen, seine Waffe schussbereit in der anderen Hand. Abgesehen von Larisa und ihm war der Raum leer. Dunkel. Totenstill.
    Es gab nur einen Eingang, folglich konnte es auch nur einen Ausgang geben.
    Sekundenlang erwog er, sich nicht vom Fleck zu rühren. Sich auf die Tür zu konzentrieren und zu warten, bis Verstärkung käme. Dann hörte er, wie eine Tür zuklickte. Ein weiteres Inferno, zuckte es durch seine Gehirnwindungen, und: Ich darf Gabriel Ostermann auf keinen Fall entwischen lassen.
    Er setzte durch das Zimmer in den Flur. Bloß noch die Treppe hinauf und durch die Haustür ins Freie.
    Sie war verschlossen.
    Er hörte schlurfende Schritte hinter sich und schnellte herum. Spähte angestrengt in den Gang. Rechter Hand war das Zimmer, wo Larisa lag. Am Ende des Flurs war die Tür, die verschlossen gewesen war, als er das erste Mal in den Keller gekommen war.
    Jetzt stand sie offen.
    Er duckte sich aus der Schusslinie und richtete seine Waffe auf die geöffnete Tür. Dann rief er:
    »Vancouver Police! Gabriel, ich weiß, dass Sie da sind. Kommen Sie sofort raus, lassen Sie Ihre Waffe fallen und nehmen Sie die Hände hoch, damit ich sie sehen kann. Dann passiert Ihnen nichts.«
    Keine Reaktion.
    Striker lauschte kurz, alles still. Er verließ seine sichere Position und schlich sich durch den Gang. Ungefähr drei Meter vor der offenen Tür blieb er stehen und leuchtete mit der Taschenlampe in das Zimmer.
    Der schwächer werdende Lichtstrahl erhellte eine geduckte Silhouette. Jemand drückte sich krampfhaft in die kleine Nische neben dem Wandschrank. Der Detective zielte auf die Gestalt und rief abermals:
    »Ich sehe Sie, Gabriel. Keine Bewegung!«
    Die Gestalt drehte sich leicht, und Striker erhaschte einen Blick auf das Gesicht. An der Identität des Mannes bestand kein Zweifel.
    Es war Gabriel.
    Die Natter.
    »Ich sagte, keine Bewegung, Gabriel!«, wiederholte Striker mit Nachdruck.
    Er merkte zu spät, dass die Natter sich aus seinem Lichtkegel entfernte. Er schnellte vor, entsicherte die SIG . Erst als er ungedeckt im Raum stand, erkannte er seinen Fehler. Er starrte nicht auf einen Wandschrank, es war die Wand. Und an der Wand hing ein Poster – aber die Schrift war seitenverkehrt .
    Dann realisierte er, dass es nicht die Wand war, sondern ein hoher Spiegel.
    Die Natter stand hinter ihm.
    Striker hechtete nach rechts, als er fühlte, dass sich von hinten ein Arm um seinen Hals legte. Er spürte einen schmerzhaften Einstich, unmittelbar gefolgt von einem Taubheitsgefühl, das ähnlich langen, pulsenden Tentakeln seinen gesamten Körper erfasste.
    Striker wehrte sich dagegen, aber es war zwecklos. Sein Körper gehorchte ihm nicht mehr. Die Beine gaben unter ihm nach, und er sackte in sich zusammen. Ein Schuss löste sich aus seiner Waffe.
    Er traf hart auf dem Boden auf. Hatte das Gefühl, seine Lunge müsste platzen. Ihm wurde schwarz vor Augen. Er dachte an seine Tochter Courtney, an Felicia und an Larisa, deren Leben am seidenen Faden hing.
    Das Letzte, was Striker sah, bevor ihn watteweiche Dunkelheit umfing, war Gabriel. Die Natter starrte ihn an, sein blasses Gesicht mit den leeren Augen zu einer kalten, brutalen Maske verzerrt.

105
    Zuerst drangen Geräusche an sein Ohr.
    Ein leises Heulen wie von einem hungrigen wilden Tier, das ihn holen kam. Das Heulen schwoll langsam an, bis es direkt über ihm war – ein unerträgliches Echo in seinen Ohren. Bis Striker die Herkunft der Kakophonie erkannte:
    Sirenen.
    Striker versuchte die Augen zu öffnen und merkte, dass sie bereits offen waren. Die betäubende Wärme verlor sich, und ihm war mit einem Mal eiskalt. Die Dunkelheit lichtete sich langsam, und der Detective sah drei Personen über sich stehen.
    Zwei Männer in Weiß …
    Sanitäter.
    Zwischen ihnen eine Frau. Ihm wurde gleich wieder warm ums Herz. Er lächelte fast entspannt.
    »Feleesh«, murmelte er, seine Stimme leise und entrückt.
    »Relax, Jacob«, sagte sie. Sie haben dir was gegen die Schmerzen gegeben. Du musst still liegen bleiben.«
    Er versuchte aufzustehen, und sie drückte ihn sanft zurück auf den Boden.
    »Du musst relaxen.«
    »Larisa …«
    »Sie hat es gepackt, Jacob. Sie ist auf dem Weg ins Whistler-Krankenhaus.«
    Er atmete erleichtert auf. Fühlte, wie der geballte Stress von ihm abfiel. Dann drehte

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