Zornesblind
trat zu ihr. Er überflog den Beschluss und fand, was er suchte: Verfügung 21.
Er tippte mit dem Finger darauf.
»Ein Beschluss von ganz oben?«, fragte sie.
Er nickte. Jetzt ergab das alles einen Sinn.
Verfügung 21 war das medizinische Äquivalent zu einem Haftbeschluss. Im Wesentlichen räumte ein solcher Beschluss der Polizei das Recht ein – und die Pflicht –, jemanden unter Vormundschaft zu stellen. Laut Verfügung 21 verdonnerte ein Psychiater seinen Patienten zur weiteren medizinischen Beobachtung, was mehr oder weniger bedeutete: ihn in eine geschlossene Anstalt zu sperren und auf Teufel komm raus zu therapieren.
Verfügung 21 dokumentierte für Striker, dass Larisa psychisch am Ende war – und ihr eigener Arzt inzwischen davon ausging, dass sie eine Gefahr für sich und andere darstellte.
Das musste er erst mal verdauen.
»Deshalb ist sie vor uns getürmt«, sagte er dann. »Sie weiß von der Verfügung. Folglich möchte sie zwar unsere Hilfe, hat aber gleichzeitig Angst vor uns.«
Felicia nickte. »Weil wir sie, sobald wir sie zu fassen bekommen, in ein Krankenhaus einliefern lassen müssten.«
»Nicht in irgendein Krankenhaus«, korrigierte Striker. »Riverglen.«
»Also ins Irrenhaus.«
»Psychiatrische Klinik«, korrigierte der Ermittler erneut. »So heißt das heute politisch korrekt.«
Felicia hob eine Braue. »Neuer Begriff, aber dieselbe alte Scheiße.«
Striker nickte zustimmend. »Egal welchen Weg Larisa einschlägt, sie kann nur verlieren. Und das begreift sie offenbar, denn sonst wäre sie längst hier bei uns aufgetaucht.«
»Es zeigt aber auch, dass sie labil ist, Jacob.«
Striker fotokopierte den Beschluss und legte das Original wieder zu den übrigen Unterlagen. Als er sich umdrehte, fixierte Felicia ihn nachdenklich.
»Was ist denn?«, fragte er.
»Ich hab die Geschichte mit dem Wagen gesucht«, meinte sie nachdenklich. »Die steht da gar nicht drin.«
»Weil sie noch nicht ins System eingegeben wurde. CPIC ist manchmal bis zu sechs Wochen im Rückstand«, klärte Striker sie auf.
»Bis zu sechs Wochen?«
»Ja, sechs Wochen«, bekräftigte Striker etwas gereizt. »Manchmal auch länger. Verdammt, Felicia, streng deine grauen Zellen an. Das musst du doch wissen. Was bist du eigentlich, eine erfahrene Mordermittlerin oder eine blutige Anfängerin?«
Felicia blieb stumm und wurde rot. »Du musst dringend relaxen«, giftete sie zurück. »Nimm mal eine von deinen Beruhigungspillen.«
Striker ging darüber hinweg. »Die meisten Beschlüsse gehen gar nicht durch die Gerichte«, fuhr er fort. »Nur wenn Gewaltanwendung im Spiel ist. Und Larisa hat nicht versucht, sich selbst oder andere zu verletzen, folglich ist das zu vernachlässigen.«
»Sie hat es bisher noch nicht versucht.«
Sie verabschiedeten sich von Lilly und liefen zum Ausgang, wo Striker direkt in Bernard Hamilton hineinlief. Hamilton blieb ruckartig stehen, musterte ihn verblüfft und setzte sein übliches Plastiklächeln auf.
»Striker, Santos. Wie läuft’s denn so bei Ihnen?«
Striker versperrte seinem Kollegen den Weg. »Ich weiß von dem Beschluss, Bernard.«
»Welcher Beschluss?« Hamiltons Lächeln gefror.
»Verfügung 21. Das erklärt, weshalb Sie letzte Nacht und heute Morgen bei Larisa zu Hause waren. Und auch die Sache mit der CAD -Anfrage. Sie reißen sich aus dem Hemd, um sich bei Ihren Vorgesetzten einzuschleimen, obwohl Sie genau wissen, was wir hier machen. Sie versuchen bloß, Ihre verdammten Statistiken aufzupeppen.«
Das Lächeln fiel Hamilton aus dem Gesicht. »Was ich hier versuche, Striker, ist, eine unserer Patientinnen zu lokalisieren – zu ihrem eigenen Wohl.«
»Tatsächlich? Wollen Sie sich ernsthaft hinter diesem Argument verstecken?« Striker baute sich vor Hamilton auf. »Erklären Sie mir mal, wieso Sie uns heute Morgen nicht über diesen Beschluss informiert haben. Sie wussten doch, dass wir Larisa Logan suchen.«
»Ich … ich wusste da noch nicht …«
»Der Beschluss ist von gestern Abend. Wagen 87 wird umgehend über alles informiert. Folglich wussten Sie es als einer der Ersten .«
Bernard wischte sich mit dem angewinkelten Ellbogen den Schweiß von der Stirn. »Das hat was mit Datenschutz und Wahrung der Privatsphäre zu tun.«
»Seit wann geht Datenschutz über den Schutz von Leib und Leben?«
»Ich muss das nicht kommentieren.«
»Nein, müssen Sie nicht, Bernard. Was bedeutet schon das Leben einer Frau, verglichen mit Ihrer
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