Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zornesblind

Zornesblind

Titel: Zornesblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Slater
Vom Netzwerk:
etwas sarkastisch. Über ihnen summten nackte flackernde Neonröhren in der kalten Winterluft. Felicia blinzelte und fluchte. »Je eher sie den Kasten hier abreißen, desto besser«, ätzte sie. »Verdammt, was wollen wir hier eigentlich?«
    »Lilly besuchen.«
    »Lilly? Die alte Pissnelke? Grundgütiger, weswegen?«
    »Überraschung.«
    Bevor sie weitere Fragen stellen konnte, verschwand Striker zwischen den winzigen Büroabteilen, die mit Computerausdrucken beschriftet waren: Prozesskopien. CPIC . Strafsachen. Staatsanwaltschaft.
    Wie üblich war mal wieder die Hölle los. Alle waren in Action, Tastaturen klackerten, Telefone klingelten. Übertönt von hellen Frauenstimmen, von Lachen und Schwatzen, denn in dieser Abteilung arbeiteten ausschließlich Frauen.
    In der Sektion Richterliche Beschlüsse erspähte Striker Lilly. Wie üblich war ihre Frisur mit reichlich Haarlack bretthart hoch toupiert und ihr Gesicht mit Make-up zugekleistert – vermutlich war das Lillys verzweifeltem Versuch geschuldet, ihre Falten zuzuschmieren.
    Sie erreichten ihren Schreibtisch, Lilly ignorierte sie jedoch und tippte weiter. Erst als Striker sich räusperte und fragte: »Na, wie geht’s denn so, Süße?«, blickte sie gereizt auf. Als sie den Detective erkannte, nahm sie die Finger von der Tastatur und lächelte.
    »Puh, ein Unglück kommt selten allein. Hab seit heute Morgen eine Scheißmigräne.«
    »Tja, dann wird das heute nichts mit uns beiden, was, Süße?«
    Lilly schnaubte verächtlich über diesen Scherzversuch, und Striker sah sich in ihrem Büroabteil um. Er schob mit einem Arm halb gepackte Umzugskartons zu Boden und stützte einen Ellbogen auf dem Schreibtisch auf. Lilly funkelte ihn an. »Mach das nochmal, und ich schmeiß dich achtkantig raus«, fauchte sie.
    Felicia fuhr erschrocken zusammen, aber Striker lachte bloß amüsiert.
    Lilly war das Urgestein in der Abteilung. Mit fünfundsechzig hätte sie locker in Rente gehen und ihren Lebensabend genießen können, stattdessen hing sie in ihrem winzigen Büroabteil rum und schnaufte wie eine alte Diesellok.
    In der harten künstlichen Beleuchtung wirkte ihr Gesicht müde. Die Lider hingen erschlafft über den wässrig blauen Augen, und ihre kastanienbraun gefärbten Haare ließen am Scheitel einen breiten grauen Ansatz erkennen.
    »Was willst du, Schiffswrack?«, fragte sie.
    »Richterliche Beschlüsse. Die neuesten, die du hast.«
    Als Lilly auf die Kisten zeigte, schüttelte Striker den Kopf. »Bah, die neuesten, Lilly. Und nicht bloß die Haftbeschlüsse – ich muss alle sehen.«
    Sie kam schwer atmend auf die Füße. »Du machst mir bloß zusätzliche Arbeit«, schimpfte sie. »Warte hier.« Sie schnappte sich ihren Stock, den sie nach einer Hüftoperation benötigte, und schlurfte durch den Gang.
    Striker sah ihr nach und grinste; Lilly war unverbesserlich.
    »Gott, die alte Schnepfe ist echt zu bedauern«, zischelte Felicia.
    »Hey, mal ein bisschen nett. Lilly ist nun mal so.«
    »Typisch Jacob! Du nimmst immer jeden in Schutz. Sie ist und bleibt eine alte Schachtel, die längst in Rente geschickt gehört. Wieso bleibt die Frau nicht zu Hause?«
    »Weil sie sonst nichts hat«, versetzte Striker. »Keine Kinder. Keine Familie. Ihr Mann starb vor sechs Jahren. Lilly hat nicht mal einen Hund. Sie liebt ihren Beruf. Was soll sie sonst auch machen?«
    »Anfangen zu leben. Sich ein paar schöne Hobbys zulegen.«
    Striker erwiderte nichts darauf. Felicia hatte teilweise Recht; Lilly war bisweilen launisch und kalt wie eine Hundeschnauze. Trotzdem, wenn man sie besser kannte, merkte man, dass sich unter ihrem Eispanzer ein gutes Herz verbarg.
    Nach einer Weile kam Lilly zurückgehumpelt, ihre Miene angespannt vor Schmerz. Vermutlich hatte sie wieder einmal Probleme mit ihrer Hüfte. »Hier.« Sie warf die Akten auf den Schreibtisch. »Das sind die neuesten.«
    Striker schnappte sich den Stapel und begann zu blättern.
    »Was suchen wir eigentlich?«, wollte Felicia wissen.
    »Larisa Logan.« Er schob ihr den halben Stapel hin. »Knöpf du dir die vor.«
    »Richterliche Beschlüsse? Sie mag ein Problemfall sein, aber sie ist kein Knacki, Jacob.«
    »Ich weiß, Feleesh. Guck einfach mal.«
    Felicia nickte knapp. Sie befeuchtete ihren Daumen und blätterte durch den Stapel. Als sie die Hälfte durch hatte, entfuhr ihr ein verblüfftes Oh , und sie wedelte mit einem Schriftstück.
    »Ich hab’s. Hier ist sie.«
    Striker legte seinen Stapel auf dem Schreibtisch ab und

Weitere Kostenlose Bücher