Zornesblind
war.
Das tat er jedes Mal vor einem Job. Es gehörte für den weiteren Ablauf dazu.
Als er fertig war, etwa zwanzig Minuten später, fror er bis auf die Knochen, und seine vernarbte Haut war rau wie Sandpapier. Er stieg aus der Dusche, trocknete sich ab und zog eine frische schwarze Jogginghose mit passendem Hoodie an.
Da war noch eine Sache.
Vielleicht das Wichtigste überhaupt.
Er ging zu seinem Computer und loggte sich ein. Er startete das Private-Search-Programm, navigierte zu seiner MyShrine-Seite. Sobald er eingeloggt war, begann er zu tippen. Die Mitteilung war kurz und kryptisch:
… ich sah sie zuerst in Afghanistan und Kandahar. In menschlicher Gestalt. Sie kamen in Reihen, Welle auf Welle von Masken.
Aber ich WUSSTE genau, was sie waren. Die anderen Soldaten waren vielleicht blind, aber ich nicht. Ich sah durch die Masken hindurch. Und ich hab sie alle durchschaut. Ein Soldat. Ein Gesandter. GOTTES WILLIGER VOLLSTRECKER!!!
Dann wurde ich, wie ich heute bin.
Es gibt nur eine Möglichkeit, einen Dämon zu töten. Einen gottverdammten Sukkubus. Und das ist durch das Herz.
Du fährst hinab. Hinab in den Schlund der Hölle, Held.
Kannst du deine Dämonen töten?
Ich weiß, ich kann meine töten …
Die Natter hörte auf zu tippen. Und las die Message durch.
Er war mit sich zufrieden.
Er drückte auf »Senden« und loggte sich aus. Irgendwann heute würde Detective Striker die Warnung bekommen. Aber wäre es noch früh genug? Und würde er den Sinn erkennen?
Es spielte letztlich keine Rolle.
Die Natter startete das KillDisk-Programm. Ein falsches Password, und die gesamte Festplatte wäre im Eimer. Er fuhr den Computer runter, schaltete das Gerät aus. Dann stand er auf und lief zu der Falltreppe. Er war verdammt gut in der Zeit, trotzdem … Er hatte noch eine Menge Arbeit vor sich.
36
Verfügung 21 – der medizinische Beschluss, der von einem leitenden Mediziner ausgestellt wurde, in den meisten Fällen war das ein Psychiater – war am Ende der Seite unterschrieben. Striker saß im Wagen und versuchte, den Namen zu entziffern, aber es war glatter Irrsinn. Ebenso gut hätte er Hieroglyphen lesen können. Er gab Felicia das Dokument.
»Kannst du das lesen?«
Sie konzentrierte sich mit zusammengekniffenen Augen auf die Unterschrift und schüttelte den Kopf. »Eine Sauklaue ist das – typische Doktorschrift.«
»Ein Witz ist das«, knurrte Striker. »Stell dir bloß vor, wir würden unsere Gerichtsnotizen so weitergeben? Die Verteidigung würde ausrasten. Ein Beschluss, bei dem man die Unterschrift nicht lesen kann! Ich könnte nicht mal sagen, ob es Ostermann oder Richter war.«
»Oder irgendein Dr. phil.«
»Oder Dr. Frankenstein, so ähnlich fühl ich mich nämlich momentan.«
Felicia lachte leise.
Striker startete den Motor und stellte die Heizung höher. »Ich kann die Namen Ostermann und Richter nicht mehr hören. Ich hab Richter eine Nachricht hinterlassen, und Ostermann hat sich wegen diesem Billy, seinem Patienten, auch noch nicht gemeldet. Wie spät ist es?«
»Zehn«, meinte Felicia nach einem Blick auf ihre Uhr.
»Das ist spät genug.«
Er wählte Dr. Ostermanns Handynummer und wurde von einer freundlichen Computerstimme abgefertigt. Dann versuchte er es im Riverglen, wo man ihn darüber informierte, dass Dr. Ostermann erst ab Donnerstagmittag wieder in der Klinik praktiziere. Schließlich wählte er dessen private Festnetznummer. Wieder Voicemail.
»Scheiß was drauf«, fluchte er. Er stellte die Automatik auf Drive und trat aufs Gas.
Ziel: Endowment Lands.
Es war zwar noch viel Verkehr auf den Straßen, die morgendlichen Staus hatten sich jedoch schon weitgehend aufgelöst. Die Fahrt von der 312 Main bis zum Point Grey dauerte gewöhnlich etwa zwanzig Minuten. Nach zehn Minuten meinte Felicia:
»Fahr mal kurz bei Bucks ran, ja?«
»Starbucks? Und wenn wir Ostermann verpassen?«
Felicia schüttelte den Kopf. »Der Typ fängt nicht vor zwölf Uhr an, also haben wir noch Zeit satt.« Sie gestikulierte zu der breiten West 4th Avenue. »Wenn er zur Klinik fährt, kommt er außerdem hier vorbei. Und seinen protzigen X5 erkennt man schon von Weitem.«
Als Striker nicht reagierte und weiterfuhr, rüttelte Felicia ihn am Arm. »Komm, Jacob, nur einen schnellen Kaffee auf die Hand, ja? Ich brauche dringend einen Koffeinschub.«
»Na schön«, lenkte er ein.
Er hielt an, und Felicia lief über die breite Straße. Er sah ihr nach. Sie drehte sich plötzlich um. Blinzelte
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