Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zornesblind

Zornesblind

Titel: Zornesblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Slater
Vom Netzwerk:
Priorität.«
    Strikers Augen klebten an dem Bildschirm. Bislang hatte Billy Mercury keinen Ton gesagt. Er saß bloß da und starrte ins Leere. Er zitterte am ganzen Körper und schwitzte. Sein Atem ging schnell und ungleichmäßig.
    »So, Billy«, fuhr Dr. Ostermann fort. »In unserer letzten Sitzung sprachen wir über Ihre Zeit in Afghanistan, genauer gesagt über die feindlichen Angriffe. Sie sprachen im Speziellen über Kandahar. Ich glaube, das war eine schlimme Zeit für Sie.«
    Der Psychiater machte eine Pause, um Billy Mercury Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern. Als der Patient schwieg, fuhr Ostermann fort:
    »Sie erzählten mir, dass einer Ihrer Kameraden, ein gewisser Colonel Dylan, bei einem Straßengefecht ums Leben kam und dass Sie später von Ihrer Einheit getrennt wurden. Würde es Ihnen etwas ausmachen, mit der Geschichte fortzufahren?«
    Billy Mercury blieb für eine lange Weile stumm. Er saß bloß da, zitternd und schwitzend, und schwieg sich aus. Mit einem Mal erwachte er aus seiner Apathie. Er schaute sich um, seine Augen irrten durch das Zimmer, als könnte er Dinge sehen, die sonst niemand wahrnahm.
    »Sie waren überall «, sagte er schließlich. »Auf den Straßen im Dorf. In den Hauseingängen und auf den Märkten, in sämtlichen Winkeln … und immer versteckt. Immer versteckt.«
    »Und das war …«
    »Der Feind.«
    »Wen meinen Sie?«, wollte Dr. Ostermann wissen. »Die Stadtguerilla? Die Widerstandskämpfer? Wer genau waren sie, Billy?«
    »Wer?«, fragte Billy und stieß plötzlich ein schrilles Lachen aus, das in einen hysterischen Schrei mündete. »Das Was ist viel entscheidender.«
    Einen Herzschlag lang erstarrte Dr. Ostermanns Miene zu Stein. »Billy, das haben wir doch schon lang und breit diskutiert …«
    »Ich hab sie gesehen. In Farah und Herat und Kandahar . Ich sah sie oft. Sie waren überall. Taten so, als wären sie Soldaten. Und Dorfbewohner. Oder sogar Kinder. Sie lebten in der Finsternis. Kamen aus der Finsternis. Sie werden in der Finsternis geboren, sind aus Finsternis gemacht. Sie quillt aus ihren Augen, ihren Mündern.«
    »Billy …«
    »Verdammt, sie kommen aus der Hölle!«
    » Billy , das haben wir bereits diskutiert. Es ist eine Psychose, eine Wahnvorstellung …«
    » NEIN ! Sie verstehen das nicht, Doktor. Sie waren nicht dort, folglich können Sie es nicht wissen. Es ist nicht wie hier. Es ist eine andere Welt. Ein anderer Ort. Sie können dort leben, sie können wachsen. Und es werden mehr. Sie werden bald hier sein. Sie werden in die Klinik eindringen. Mich holen! Sie holen! Alle holen!«
    Dr. Ostermann schien konsterniert über den Gesprächsverlauf, ließ sich das aber nicht anmerken. Er stand bedächtig auf und schüttelte den Kopf.
    »Ich glaube, wir müssen Ihre Medikation überprüfen«, sagte er.
    » NEIN !«, protestierte Billy. »Sie verstehen das nicht. Sie denken, ich bin verrückt. Aber Sie wissen gar nichts. Ich kann sie nachts hören, wenn sie flüstern. Dauernd flüstern sie. Sie kommen wegen mir. Wegen uns allen. Verdammt, Sie WISSEN gar nichts!«
    Als Dr. Ostermann nach der Türklinke tastete, sprang Billy auf. Er umrundete den Schreibtisch, packte den Mediziner, woraufhin der nach den Pflegern rief. Innerhalb von Sekunden stürmten drei weiß gekleidete Hünen den Raum. Sie stürzten sich auf Billy Mercury, doch der wehrte sich nach Kräften. Grub seine Fingernägel einem der drei brutal ins Gesicht, boxte dem zweiten mit der Faust gezielt in den Adamsapfel.
    »Dämonen!«, kreischte er. »Verfickte Dämonen – SIE KRIEGEN UNS ALLE !«

39
    Striker stand mitten im Raum, wie paralysiert von der Videosequenz. Der Mann auf dem Monitor war komplett durchgeknallt. Und gefährlich. Der Detective konnte es fast fühlen. Er war so vertieft in das Patienteninterview, dass es ein paar Sekunden brauchte, bis er Felicias leise geflüsterte Warnung aufschnappte.
    »Hey, Jacob, Dr. Ostermann kommt … Achtung, er kommt !«
    Striker kapierte. Er drückte die Stopp-Taste des DVD -Players, schaltete den Fernseher aus und durchquerte das Zimmer. Kaum war er neben Felicia getreten, schwang die Tür auf, und Dr. Ostermann betrat das Büro.
    Er musterte die beiden zunächst skeptisch, dann nickte er. »Detectives. Freut mich, Sie wiederzusehen, auch wenn Ihr Besuch ziemlich unerwartet kommt, das muss ich schon sagen.«
    »War uns ein Vergnügen, Doktor«, antwortete Felicia.
    Statt sich lange mit albernen Höflichkeitsfloskeln aufzuhalten, kam

Weitere Kostenlose Bücher