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Zornesblind

Zornesblind

Titel: Zornesblind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sean Slater
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Funker«, erklärte er.
    »Funker hin oder her, er wurde wie alle Soldaten auf Gewaltanwendung gedrillt«, erwiderte Striker.
    »Hatte er auch bei anderen Patientinnen oder beim Personal Obsessionen?«, erkundigte sich Felicia.
    »Äh … ja. Da war noch jemand, ja.«
    Striker spürte, wie sein Blutdruck in die Höhe schnellte. »Namen, Doktor. Ich will Namen wissen.«
    »Sarah Rose, eine der Patientinnen.«
    Der Nachname sagte Striker zwar nichts, aber der Vorname machte ihn stutzig. Sarah? War das nicht einer der Namen auf der langen Liste, die sie im Haus von Larisa gefunden hatten? Er spähte zu Felicia hinüber, und sie nickte; sie hatte ebenfalls die Verbindung erkannt.
    »Sarah war die Einzige, die Billy nahestand und sich wirklich für ihn interessierte«, fuhr Dr. Ostermann fort. »Ich vermute, sie war Billys einzige, wirkliche Freundin . Sie kamen sich näher. Zu nah. Eine Liebesbeziehung – und das war strikt gegen die Therapieregeln. Ich war gehalten, die beiden aus der Gruppe zu nehmen. Deshalb hat Sarah die Beziehung beendet.«
    Striker mochte seinen Ohren nicht trauen.
    »Sie hat die Beziehung beendet?« Er fluchte laut. Das Ende einer Beziehung grenzte für jeden Menschen an ein Trauma, für einen psychisch Kranken musste es die Hölle sein. Er fasste sich wieder und konzentrierte sich auf das Wesentliche.
    »Waren Sarah und Mandy Freundinnen?«, fragte er.
    Der Mediziner schien von der Frage überrascht. »Ja, ich glaub schon. Was man so Freundin nennt. Sarah war ein ziemlich introvertierter Typ. Fast schon Einzelgängerin. Ich musste sie förmlich zu den Therapiesitzungen drängen. Einmal musste ich sogar meine Sekretärin losschicken, um Sarah zu …«
    »Eine Sekunde«, unterbrach Striker. »Sarah Rose ist keine stationäre Patientin?«
    »Grundgütiger, nein. Sarahs Depression ist sehr gut therapierbar.«
    »Folglich ist sie nicht hier untergebracht? Sie wohnt woanders?«
    »Ja, sicher.«
    »Geben Sie mir ihre Telefonnummer.«
    »Sarah hat kein Telefon, aber ich kann Ihnen ihre Adresse geben.«
    »Dann geben Sie mir die und ein Foto der Frau, falls Sie eins haben.«
    Dr. Ostermann zog umständlich eine weitere Akte aus seinem Schreibtisch und entnahm ihr die Kopie eines Frauenfotos. Auf einen gelben Post-it-Notizzettel schrieb er die Adresse. »Das ist die aktuelle Information, die wir über Sarah haben.«
    Striker steckte Fotokopie und Haftnotiz ein. »Wir sprechen später wieder miteinander«, sagte er. »Wir müssen uns dringend um die Frau kümmern. Ich an Ihrer Stelle würde beten, dass sie okay ist, Doktor.«
    Dr. Ostermann biss die Kiefer aufeinander und schwieg.
    Striker bedeutete Felicia mit einem Nicken mitzukommen. Die beiden verließen das Büro und liefen durch die langen, tristen Gänge von Riverglen zum Wagen. Sie fuhren mit Vollgas zurück nach Vancouver. Ziel: das Oppenheimer Viertel. Genauer gesagt die brutalen Slums auf der Princess Avenue.
    Es wurde höchste Zeit, Sarah Rose einen Besuch abzustatten.

40
    Die Natter saß auf dem Fahrersitz eines weißen Minivans, eines GMC mit geteilten Kofferraumtüren ohne Rückfenster. Der Van sah unauffällig aus wie ein Arbeitsfahrzeug oder ein Lieferwagen oder einer dieser Oldtimer – Liebhaberfahrzeuge, wie es sie zigmal in der Stadt gab.
    Nicht zuletzt deshalb hatte er sich für diesen Wagen entschieden.
    Vor ihm auf dem Armaturenbrett stand ein kleines, schwarzes Nokia-Handy in einer Halterung. Verglichen mit heutigen Standards ein altes Modell. Ohne Kamerafunktion. Ohne Touchscreen. Das Teil hatte nicht mal ein vernünftiges Display. Nichts dergleichen. Bloß ein simples Handy mit Prepaidkarte und somit nicht rückverfolgbar. Sobald der Job erledigt war, wollte er das Ding in seine Einzelteile zerlegen und in irgendeiner Mülltonne am anderen Ende der Stadt entsorgen.
    Er war jedes Mal übervorsichtig. Er musste übervorsichtig sein, denn die kleinste Unachtsamkeit konnte desaströs sein und ihn den Kopf kosten.
    Seine Beine schmerzten, und er begann nervös mit den Knien zu wackeln. Das Warten war immer das Schlimmste. Ganz besonders in einem Van, in dem es modrig feucht und nach kaltem, abgestandenem Kaffee stank. Er starrte auf den Pappbecher von Tim Horton’s Coffee, der in dem Getränkehalter steckte: Der Becher war so alt, dass die Schrift verblichen war. Er nahm den Becher, kurbelte das Wagenfenster hinunter und warf ihn nach draußen.
    Eisiger Wind drang in die Fahrerkabine. Traf ihn wie ein Schlag von einer unsichtbaren

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