Zornesblind
Striker direkt auf den Punkt. »Es war vereinbart, dass wir in Kontakt bleiben, Herr Dr. Ostermann. Also war mit unserem Besuch zu rechnen, oder? Soweit ich mich entsinne, wollten Sie uns anrufen.«
Dr. Ostermann nickte abwesend. »Ach ja. Ja, stimmt, so war es vereinbart. Dazu bin ich leider noch nicht gekommen, denn es war den ganzen Vormittag hindurch total hektisch.«
Er glitt in sein Büro und schloss die Tür hinter sich. Er trug einen dunkelgrünen Aktenordner unter dem Arm, dessen Rücken mit schwarzem Marker beschriftet war.
Striker konnte das Geschriebene leider nicht entziffern.
Der Mediziner trat an seinen Schreibtisch, öffnete ein Schubfach und warf die Akte hinein. Während er das Fach schloss, drehte er sich zu ihnen um. Dabei fiel sein Blick auf die geöffneten Schranktüren. Er stockte mitten in der Bewegung, starrte wie gebannt auf den Fernseher. Dann durchquerte er wortlos den Raum und ging die DVD s durch. Er nahm die Hülle, auf der »Billy Mercury« stand und öffnete sie. Als er sah, dass die DVD fehlte, nahmen seine Kinnbacken einen ungesunden Rotton an.
»Haben Sie sich das … angesehen?«
Felicia gab keine Antwort.
Striker drängte einen Schritt vor. »Hören Sie endlich auf, meine Fragen mit Gegenfragen zu beantworten, Doktor.«
Dr. Ostermann errötete bis zu seinem schütteren Haaransatz. Seine Augen glitzerten mit einem Mal eisig grün. »Wie bitte, Detective Striker?«
»Sie haben genau gehört, was ich gesagt habe.«
Dr. Ostermann ließ die DVD -Hülle zuschnappen und stellte sie weg. »Ich kann mich nicht entsinnen, dass Sie mir irgendeine Frage gestellt hätten.«
»Ich meinte es im übertragenen Sinne.« Striker trat an den Schreibtisch, der die beiden Männer kaum mehr als eine Armeslänge voneinander trennte. »Ich bin nicht den weiten Weg von Vancouver nach Coquitlam gefahren, um Ihnen einen Höflichkeitsbesuch abzustatten, Doktor. Und ich denke, das ist Ihnen klar. Sie sollten uns heute Morgen anrufen, und das haben Sie nicht getan.«
»Ich hab Ihnen doch schon erklärt, dass es hier heute Vormittag sehr hektisch war. Ich hatte alles Mögliche im Kopf. Musste mich um etliche Patienten kümmern. Und die gehen nun einmal vor.«
»Ich wünschte, ich könnte dasselbe für Mandy Gill sagen«, versetzte Striker, seine Stimme stahlhart.
Dr. Ostermann erstarrte, und eine längere Pause entstand. Ich kann warten, dachte Striker. Er warf Felicia einen eindringlichen Blick zu, um sicherzugehen, dass sie seine Taktik mittrug.
Sollte Ostermann ruhig im eigenen Saft schmoren.
»Der Grund, weshalb ich nicht zurückgerufen habe«, führte der Mediziner schließlich aus, »ist, dass ich meinen Patienten nicht erreichen konnte. Und vorher gebe ich dessen persönliche und vertrauliche Daten natürlich nicht heraus. So einfach ist das.«
Striker nickte. »Das mag ja sein, Doktor. Doch das ficht mich nicht an: Entweder Sie geben mir den Namen dieses Typen, oder ich komme das nächste Mal mit einem Durchsuchungsbeschluss und nehme Ihr Büro komplett auseinander.«
Dr. Ostermann wurde blass. »Auf so was würde sich kein Richter einlassen.«
»Oh, ich denke schon. Und die Medien würden sich wie hungrige Hyänen darauf stürzen: ›Dr. Ostermann, der Psychiater der Armen, weigert sich, das Vancouver Police Department zu unterstützen bei den Ermittlungen in dem möglichen Mordfall an einer armen, psychisch kranken Frau – im Übrigen Patientin im Rahmen des EvenHealth-Programms.‹ Mannomann, ich seh schon die Schlagzeilen vor mir.« Er zwinkerte Felicia heimlich zu. »Wir können natürlich auch die Akten einsehen und fertig.«
Dr. Ostermann wich einen Schritt zurück. »Meine Akten? Mit welcher Begründung?«
»Zwingende Umstände«, sagte Felicia.
Striker nickte. »Korrekt. Sie hatten eine Patientin, die möglicherweise ermordet wurde und nicht Selbstmord beging, wie anfänglich angenommen, und es gibt eine Verbindung zu einem Ihrer anderen Patienten. Ein Mann, der ein extremes Risiko für andere sein kann. Das ist zwingend genug für mich. Verdammt, als Cops ist es unsere vorrangige Aufgabe, Leben zu schützen.«
»Damit kommen Sie bei Gericht niemals durch.«
Striker quittierte dies mit einem müden Achselzucken. »Mag sein. Trotzdem bin ich wild entschlossen, das durchzufighten – nachdem ich mir Ihre Akten und die von EvenHealth vorgeknöpft habe.«
Felicia machte einen Schritt nach vorn. »Kooperieren Sie mit uns, Doktor.«
Dr. Ostermanns Gesicht war inzwischen
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