Zornesblind
Wohnkomplex eine einzige schwarze Rauchwolke.
Seine Hand machte ihm Probleme. Sie war rot und geschwollen, und wenn er die Finger bewegte, schmerzte es mörderisch. Wahrscheinlich hatte er sich bei der Aktion irgendwo die Hand verbrannt. Vielleicht vorhin an der Türklinke.
Seine Dienstwaffe war leer, und das war kritisch. Daher kehrte er zum Wagen zurück, öffnete den Kofferraum und besorgte sich Nachschub aus der Munitionskiste. Er lud nach, steckte drei Magazine ein und gab Felicia auf dem Rückweg ein weiteres.
»Hier. Lad nach«, rief er.
Von Süden her schrillten bereits die Sirenen der Feuerwehrfahrzeuge.
Sein Blick glitt von dem wütenden Feuer zu dem vergitterten Fenster. Verflucht, keine Chance, an die Kamera ranzukommen. Das gesamte Haus brannte wie Zunder, und die Kamera würde vermutlich mit draufgehen.
An Dach und Hauswänden leckten rötlich gelbe Flammen. Der Eingang, durch den er und Felicia entkommen waren, loderte jedoch irisierend weißlich gelb. Und auch der Rauch war anders, ölig schwarz.
Zweifellos hatte der Täter einen Brandbeschleuniger eingesetzt.
Nach wenigen Augenblicken hatte er den Bereich untersucht und erspähte einen leeren Kanister, weggeworfen in den Büschen vor dem Haus. Er zog Handschuhe an, kniete sich hin und hob ihn auf. Las das Etikett.
Steinman’s Holzlasur.
Darunter das Piktogramm mit einer Flamme und die Warnung: Leicht entflammbar.
»Nimm das zu den Beweisstücken«, wies er seine Kollegin an.
Mit seiner schmerzenden Hand angelte er nach seinem Notizbuch und notierte sich die Uhrzeit des Fundes. Als er aufblickte, bemerkte er mehrere verloren wirkende Gestalten, die aus den Häusern kamen. Ein paar Mutige schlurften bis zum Gehweg, doch die meisten blieben sicherheitshalber in ihren schäbigen Vorgärtchen, von wo aus sie das Horrorszenario verfolgten.
Striker dachte augenblicklich wieder an den Kerl, der sie bei ihrer Ankunft beobachtet hatte.
Er blickte über die Straße zu der Wohnung, wo ihm der mysteriöse Typ aufgefallen war; die Vorhänge waren fest vorgezogen. Eigenartig, wo doch alle rausgekommen waren und gafften.
Er steckte sein Notizbuch weg und lief abermals über die Straße.
»Wohin willst du?«, fragte Felicia.
»Ich muss kurz was checken.«
»Jacob …«
»Bleib du hier, Feleesh. Erklär den Feuerwehrleuten, dass wir bereits die Häuser geräumt haben. Sonst bringen die sich nachher noch völlig umsonst in Gefahr.«
Sie schien etwas erwidern zu wollen, aber Striker ließ ihr keine Chance. Er setzte über den Hermon Drive zu dem Apartment, wo er die verdächtige Person bemerkt hatte. Vorhin hatte er den Typen bloß für einen neugierigen Nachbarn gehalten.
Inzwischen sah er das anders.
Er zog seine Waffe und stürmte in geduckter Haltung den kurzen Hügelkamm hoch, bemüht, aus der Schusslinie zu bleiben. Als er das Fenster erreichte, leuchtete er mit der Taschenlampe durch die Scheibe. Es war müßig angesichts der schweren Vorhänge und Gardinen.
Bevor er in Richtung Eingangstür herumschwenkte, fiel ihm jedoch auf, dass das Fenster einen Spalt breit offen stand. Er griff danach, zog es hoch – und es ließ sich problemlos öffnen.
»Polizei von Vancouver!«, rief er. »Ist da jemand?«
Keine Antwort.
Er versuchte es erneut. »Polizei von Vancouver! Zeigen Sie sich!«
Wieder nichts.
Er zog Gardine und Vorhang beiseite und leuchtete mit der Taschenlampe in das Apartment. Alles war ruhig und unauffällig. Die Wohnung schien so leer wie die geräumten Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Mit gezogener Pistole kletterte er durch das Fenster in das dunkle Zimmer; er schwang seine Beine auf den schäbigen Kunststoffbelag und schaute sich vorsichtig um.
Auf dem Boden, im Bereich des Fensters, lag ein langes Elektrokabel. Es verlief unter der Apartmenttür hindurch bis in den Gemeinschaftsflur. Striker betätigte den Lichtschalter. Nichts. Kein Licht.
Das Apartment hatte keinen Strom.
Die Taschenlampe in der einen, seine geladene Dienstwaffe in der anderen Hand, durchsuchte er das gesamte Apartment, angefangen mit dem Hauptraum bis zu einem kleinen Schlafzimmer mit angrenzendem Bad. Nichts.
Der Vogel war längst ausgeflogen.
Er öffnete die Etagentür und spähte in den Flur. Die Verlängerungsschnur war in einer Steckdose an der Flurwand eingestöpselt. Er nickte abwesend. Das Apartment hatte zwar keinen Strom, aber der Bewohner hatte welchen gebraucht.
Warum?, fragte er sich.
Die Videokamera, jagte es ihm
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