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Zorngebete

Zorngebete

Titel: Zorngebete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Heymann
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wird doch mal ein bisschen verschnaufen dürfen …
    Ich weiß weder, was mich geritten hat, das zu sagen, noch, wie ich es gewagt habe, aber es hat die dicke Kuh zur Weißglut gebracht.
    – Was ist dir denn zu Kopf gestiegen, du Schlampe? Ihr werdet jetzt eure kleinen Kaffernärsche erheben und auf der Stelle die Zimmer aufräumen! Wie kannst du es wagen, so mit mir zu sprechen?
    Selbst bei den Armen gibt es eine Hierarchie. Es ist zum Totlachen.
    Wir haben unsere kleinen Ärsche erhoben, wir hatten keine Wahl. Wir haben die Zimmer aufgeräumt. Die dicke Kuh dagegen hat ihren dicken Arsch auf ein Kanapee platziert und ihr fettes, hässliches Gesicht in die Schwarzwälder Kirschtorte vom Vortag versenkt. Mit einem Pfefferminztee. Vor einer Folge von
Raimonda
. Miststück.
    Es ist 18 Uhr, und ich mache es mir auf meiner Matratze gemütlich. Da kommt Latifa angerannt wie eine Wahnsinnige.
    – Heute Abend geht die dicke Kuh ihre Familie besuchen!
    – Cool, dann gucken wir Fernsehen!
    – Aber nein, wir gehen in die Disco!
    – In die Disco?
    – Aber ja, wo getanzt wird, und dann lernst du einen Franzosen kennen, und danach gehst du mit ihm …
    Latifa deutet einen Blowjob an. Ich muss laut lachen.
    – Aber wie sollen wir das denn machen?
    – Keine Sorge, ich habe einen Taxi-Freund, der bringt uns hin und bringt uns wieder zurück, wir geben ihm jede 100 Dinar. Mach dich fertig!

Ich wähle die Jeans mit den glänzenden Taschen, Schuhe mit Keilabsatz und ein türkisblaues Oberteil mit Fransen. Meine Haare werde ich bügeln, damit sie glatt sind. Na ja, ziemlich.
    Allah, heute Abend werde ich mir wieder Böses zufügen. Ich werde anschaffen gehen. Es ist nicht mehr Miloud. Es ist nicht mehr Abdelkrim. Es ist nicht mehr, um zu essen, es ist, um mir Sachen zu kaufen. Extras. Außerdem wird es das erste Mal in meinem Leben sein, dass ich es nicht erdulden muss, und das will ich ausleben. Ich bitte nicht um Erlaubnis, ich will nur, dass Du weißt, dass ich weiß, was ich tue. Es ist hässlich. Vielleicht ist es
haram
. Aber zumindest gebe ich nicht Dir die Schuld. Ich übernehme meine Verantwortung. Ich werde den Preis dafür zahlen, wenn es überhaupt einen Preis zu zahlen gibt. Es sei denn, der Preis ist das Leben. Ich zahle ihn gern. Ich zahle auf jeden Fall cash. Du wirst nicht hinters Licht geführt, niemals würde ich Dich um Kredit bitten.
    Ich möchte Dir danken, Allah, denn Du bist der einzige, der mir nie widerspricht. Es tut gut, wenn einem jemand zuhört. Du bist der Weiseste. Deswegen bist Du ja auch Allah. Du hörst zu, wenn alle durcheinanderschreien. Bei Dir habe ich gelernt, nicht herumzukrakeelen, mit Dir spreche ich ganz leise, und das tut mir gut, das besänftigt mich.
    Danke, Allah.
    Geschafft, ich bin da. Das Lokal heißt Monte Casino, und dort gibt es reihenweise Mädchen in Miniröcken und reihenweise Männer mit kurzärmeligen Hemden. Franzosen. Ich fühle mich nicht besonders wohl, ehrlich gesagt, ich fühle mich sogar ziemlich unbeholfen. Ich weiß weder, was ich mit meinen Händen anfangen soll, noch, wie ich mich hinstellen soll. Es ist heiß, meine Haare fangen an, sich zu kräuseln.
    Latifa drückt mir ein Glas Champagner in die Hand, ich halte es wie einen Becher Limonade. Keine Klasse. Alle tanzen, alle reißen die Arme hoch, und ich denke, so was Beklopptes, an Tafafilt. Scheiße, warum muss ich immer denken? Sogar in einer Disco!
    Latifa zeigt mir einen Mann, der ganz allein an der Bar sitzt. Ich ziehe die Kordel meines Strings aus der Jeans heraus und bewege mich auf ihn zu. Wie die Blonde aus der Zeitschrift.
    Ich habe alle Worte vergessen, die Latifa mir im Taxi beigebracht hat, ich erinnere mich vage an ein:
    – Ich liebe
Fronkreich
.
    Er umfasst mich an der Taille und zieht mich an sich.
    Er ist ganz rosa und hat sehr feine Lippen.
    – Ach, ja? Und ich liebe deine kleine arabische Mumu.
    Ich verstehe nicht viel, aber bei dem lüsternen Blick ist klar, dass er nicht gefragt hat, ob ich ihn heiraten will. Wir gehen auf die Tanzfläche, keiner von uns beiden weiß, was er mit seinem Körper anfangen soll. Er tanzt eine Mischung aus
zouk
und
jerk
, ich wiege meinen kleinen Arsch hin und her, weil uns das angeboren ist. Wir tanzen, wir trinken, er streichelt mich und sagt mir Sachen ins Ohr. Ich breche jedes Mal in Lachen aus und wiederhole »Ich liebe Fronkreich!« Er leckt mir das Ohr, das ist echt widerlich, ich hasse das, aber ich habe hier nicht das Recht zu hassen. Ich habe

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