Zorngebete
zusammengefaltet zu ihren Sachen stecken, zwischen ein Stück Stoff, das sie von ihrer Mutter bekommen hat, und einen
lizar
.
Abdelatif ist an der Tür und beruhigt mich.
– Also, du sagst, was ich dir gesagt habe, ja, ich arbeite in einem Laden, in dem Gold und Stoffe verkauft werden, es geht mir gut, ich esse gut und ich gehe in die Moschee …
Er unterbricht mich:
– Ja, natürlich, ich werde das alles genauso sagen, das wiederhole ich dir jetzt schon seit drei Tagen. Mach dir keine Sorgen, Jbara. Los, geh jetzt wieder rein, sonst schimpft dich die Herrin aus.
– Jbara! Jbara!
Ich ersticke einen Schluchzer und stelle mir vor, dass er meine arme Mama und meine Schafe sehen wird, und mein Herz krampft sich zusammen. Doch es entkrampft sich auch schnell wieder.
– Jbara, meine Sonnenbrille! Nicht die Versace, die Fendi!
Mein Herz rückt wieder an seinen Fleck, während ich vier Stufen auf einmal die Treppe hinaufeile. Ich kann weder lesen noch schreiben, aber den Unterschied zwischen Fendi und Versace kann ich erkennen, das ist lustig! Oder erbärmlich. Oder beides.
Der Porsche Cayenne wird angeworfen. Die Familie ist fertig zur Abreise. Sie fahren zur Kur. Ans Meer. Um sich zu erholen … Denn sie sind müde. Sehr müde.
Hafida schließt die Tür hinter ihnen.
Ich atme durch.
Das Haus ist leer. Ich bin in meinem Zimmer und höre Moufhida Ben Abess. Sie bringt uns gerade bei, wie man schöne Haare bekommt. Ich hätte sie am Ansatz gern glatt, aber das geht nicht. Und Allah möchte ich nicht darum bitten. Er hat andere Sorgen.
Aber dennoch, Allah, eins wüsste ich gern: Warum haben die Leute im Norden so viel Regen und außerdem glatte Haare und wir im Süden Trockenheit und krause Haare?
Ich lege mich auf mein Bett. Latifa kommt mich mit zwei Gläsern Pfefferminztee besuchen.
– Ich schwör’s dir, fast den ganzen Sonntag mit einer Gurke in der Mumu.
– Und das hat sie vor dir getan?
– Nun ja, sie hatte offenbar nichts dagegen, dass ich es sehe …
– Und wie ist sie dann im Haus herumgelaufen? Ich meine, wie hat sie das angestellt, wenn da die Kinder waren und was weiß ich, wer noch alles.
– Nein, das muss irgendwann gewesen sein, als sie nicht da waren oder als sie allein mit mir war. Ab und zu hat es »bumm« gemacht, weil sie runtergefallen ist. Sie hat sie aufgehoben, abgespült und zu drei Vierteln wieder reingesteckt.
– Wahnsinn! Und woher weißt du, dass das zur … wie hat sie das ausgedrückt?
– Zur Kräftigung ihrer Vaginalmuskulatur, hat sie gesagt. Bei einem Streit mit ihrem Mann hat sie mal zu ihm gesagt: »Und wenn ich daran denke, dass ich meine Sonntage mit einer Gurke in der Mumu verbringe, nur um meine Vaginalmuskulatur zu kräftigen, und du behandelst mich wie eine Nutte!« Und ihr Mann hat genauso wenig verstanden und hat gefragt »Wozu denn das?« Und sie hat geschrien: »Um dir mehr Lust zu verschaffen, du Blödmann!«
Wir haben uns totgelacht, und er hat sie heulend wie einen Schlosshund auf ihrem Bett liegen gelassen und ist trotzdem weggefahren.
Ich sagte mir, dass der Gurkensalat von nun an nie wieder den gleichen Geschmack haben würde. Ich fand das unglaublich. Ganze Sonntage mit einer Gurke in der Vagina, und der Typ haut trotzdem ab. Übrigens hat mich diese Geschichte lange Zeit verfolgt. Zum einen, weil ich es ab und zu selbst ausprobiert habe, und dann, weil man in dieser Familie auf Gurken geradezu versessen war: roh, gesalzen im Salat, gezuckert im Salat mit Orangenblüten … Und ich habe sie vorher nicht abgespült. Die Schale ist gut für die Verdauung …
Oh ja, man wird gemein, wenn man arm ist und jeden Tag wie ein Stück Dreck behandelt wird. Wenn Sie reich sind und »Hausangestellte« haben oder Dienstboten, sollten Sie wissen, dass Sie uns früher oder später gekostet haben. Sie haben unseren Speichel gefressen, unsere Popel, unseren grünen Auswurf, unsere Kacke, unsere Pisse, unser Sperma. Zumindest einmal. Ganz sicher. Egal, ob Sie uns gut behandeln, ob Sie aufmerksam sind oder ob Sie sich uns gegenüber wie echte Schweine verhalten, Sie haben uns gekostet, Sie haben ein wenig von uns in sich … Denn Sie sind reich und wir sind die Elenden. So ist das.
Wir haben herumgealbert fast wie zwei ganz normale junge Mädchen und dabei einen kleinen Pfefferminztee getrunken. Und dann kam die dicke Kuh und hat uns wieder in die Senkrechte gebracht.
– Los, an die Arbeit, ihr habt keine Ferien!
– Nein, aber nur zwei Sekunden, man
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