Zottelkralle
Hals. Knurrend und fauchend krallte er sich an dem Eindringling fest, boxte auf ihm herum, spuckte ihm ins Gesicht und zog ihn an den Haaren.
»Hilfe!«, rief der Einbrecher. »Zu Hilfe!«
Die Stimme kam Kalli bekannt vor. »Papa!«, rief er entsetzt. »Oje, Papa! Zottelkralle, lass ihn los. Das ist mein Vater!«
»Was?«, grunzte Zottelkralle ganz erschrocken und plumpste wie ein Sandsack auf den Teppich.
In dem Moment ging das Flurlicht an und Kallis Mutter torkelte verschlafen ans Treppengeländer. »Was, um Himmels willen, ist hier los?«, fragte sie. Verdutzt erkannte sie ihren Mann.
»Wo kommst du denn schon her? Ich dachte, du landest erst morgen früh! Und warum sitzt du auf dem Teppich?«
»Ich hab ein Flugzeug früher genommen.« Ärgerlich rieb Kallis Vater sich den zerkratzten Hals. »Und auf dem Teppich sitze ich, weil meine Beine butterweich vor Schreck sind. Kann mir mal jemand erklären«, er nieste zweimal fürchterlich, »kann mir jemand erklären, was das ist?« Und er zeigte auf Zottelkralle, der zerknirscht in der Ecke saß.
»Das ist mein Monster«, erklärte Kalli kleinlaut.
»Dein was?«
»Sein Monster«, sagte Mama. »Es heißt Zottelkralle und kann vierhändig Klavier spielen.«
»Ach ja?« Papa nieste wieder – diesmal fünfmal.
»Und es liebt deine Totempfähle«, sagte Kalli hastig.
»Oh ja, das stimmt!«, grunzte Zottelkralle und rappelte sich hoch. »Käferkrabbelkolossal sind die!« Mit ausgestreckter Tatze marschierte er auf Kallis Vater zu.
Der sprang erschrocken auf, trat einen Schritt zurück und stolperte über seine Koffer. Fluchend rappelte er sich hoch, rieb sich den Kopf und nieste.
»He, Vorsicht, Vorsicht!« Zottelkralle grinste Kallis Vater breit an und hielt ihm die Tatze hin. »Herzlich willkommen!«, grunzte er. »Freut mich, mal eine Nacktschnecke mit ein bisschen Fell im Gesicht zu sehen.«
»Äh, was?« Verdutzt fasste Kallis Vater sich an den Bart – und nieste. »Tut mir leid«, schniefte er und schüttelte dem Monster die fuchsrote Pranke. »Aber ich bin allergisch gegen Tierhaare.«
»Och, das macht mir nichts«, sagte Zottelkralle.
»Mir schon.« Kallis Vater nieste schon wieder – diesmal so sehr, dass die Blumenvase vor dem Flurspiegel umfiel und das Wasser ihm auf die Schuhe tropfte.
Kalli und seine Mutter warfen sich einen ratlosen Blick zu.
»Aha, empfindliches Näschen, was?«, grunzte Zottelkralle und wischte Kallis Vater mit der Tatze das Blumenwasser von den Schuhen. »Mäusedreck, so was ist unangenehm. Ging mir mit Katzen so. Hab geniest wie eine Trompete, wenn eine vorbeischlich. Hundefurzhässliche Sache so was!«
Kallis Vater nickte und nieste genau sieben Mal. Mitfühlend sah Zottelkralle ihn an.
»Wir könnten sein Fell ganz kurz schneiden, Papa!«, rief Kalli. »Aber bitte, lass mich ihn behalten, ja?«
Empört guckte Zottelkralle zu ihm hoch. »Was? Kurz schneiden? Redest du etwa von meinem Fell? Von meinem schneckenscharf schönen Fell?« Wütend bleckte er die Zähne. »Davon wird gar nichts abgeschnitten. Außerdem kannst du froh sein, wenn ich dich behalte, kleine Nacktschnecke.«
Kallis Vater kicherte und nieste schon wieder. Seine Nase tropfte wie ein kaputter Wasserhahn. »Tut mir leid«, krächzte er. »Du bist wirklich ein lustiger Bursche, Wuselkralle oder wie du heißt.« Er nieste dreimal. »Aber du siehst, ich vertrage einfach kein Fell in meiner Nähe.« Vier kurze, drei lange Nieser.
»Ach was!«, grunzte Zottelkralle und schnupperte interessiert an den Koffern von Kallis Vater herum. »Gegen Kitzelnasen gibt es jede Menge prima Rezepte.«
»Zum Beispiel?« Kallis Vater rieb sich die rote Nase.
Zottelkralle kratzte sich den Bauch. »Zum Beispiel zwei Regenwürmer in ein Spinnennetz gewickelt und kräftig durchgekaut. Hilft sofort.«
Kallis Vater machte ein entsetztes Gesicht und nieste gleich sechs Mal.
»Oder«, fuhr Zottelkralle fort, »du trägst die hier immer in deiner Hosentasche.« Er riss sich drei Schwanzhaare aus und reichte sie Kallis Vater. »Aber bitte einmal draufspucken.«
Kallis Vater starrte ungläubig auf die roten Monsterhaare. Dann spuckte er drauf und steckte sie in die Hosentasche.
Alle sahen ihn gespannt an. Bis auf Zottelkralle. Der betastete das Gepäck, das immer noch in der offenen Tür stand.
»Na, Papa?«, fragte Kalli besorgt. »Wie geht’s dir?«
Sein Vater griff sich staunend an die Nase und lächelte ungläubig.
»Sie kribbelt nicht mehr«, rief er
Weitere Kostenlose Bücher