Zu cool für dich
es also nicht nur mit irgendwelchen Assis zu tun.«
Ich nickte. »Ich habe gehört, die nehmen das mit dem Studieren dort ziemlich ernst.«
Er lächelte. »Hey, tu nicht so. Ich weiß, wie gut man sein muss, um in Stanford aufgenommen zu werden. Du hast bestimmt keine Probleme mitzukommen. Wahrscheinlich hast du die Aufnahmetests alle mit Auszeichnung bestanden.«
Ich schüttelte den Kopf. »Du irrst dich.«
»Wohingegen ich nur Auszeichnungen in besonderer Blödheit bekommen habe«, sagte er selbstironisch und trank einen Schluck Wasser. »Deswegen hocke ich an einem staatlichen College rum und träume von Eliteunis, während du irgendwann zu den Topleuten der westlichen Welt gehören wirst. Schick mir eine Postkarte, wenn du oben angekommen bist. Oder – noch besser – besuch mich an meinem ersten Arbeitsplatz: Ich werde dich dann wahrscheinlich fragen, ob es sonst noch etwas sein darf und ob du Ketchup oder Mayo willst.«
Ich nickte amüsiert. Paul war der typische Sohn reicher Eltern, ein wohlerzogener Charmeur, aber ich mochte ihn. Man konnte gut mit ihm plaudern. Menschen wie er kamen mit jedem leicht ins Gespräch, weiles immer genügend gemeinsame Anknüpfungspunkte gab. Außer über Stanford hatten wir uns bereits über Wasserski unterhalten (er lief grausam schlecht, war aber süchtig), über die Tatsache, dass er zweisprachig aufgewachsen war (Englisch und Spanisch – seine Großmutter stammte aus Venezuela), und dass er nach den Sommerferien natürlich wieder aufs College gehen würde. Er gehörte einer Studentenverbindung namens
Sigma Nu
an, hatte Psychologie als Hauptfach belegt und war der Manager der College-Basketball-Männer mannschaft , die – wie er es ausdrückte – aus »viel Leidenschaft und wenig Talent« bestand. Er war nicht überwältigend witzig, aber auch nicht dämlich. Auf alle Fälle hatte er keine zwei linken Hände und seine Schnürsenkel waren ordentlich zusammengebunden – an beiden Schuhen. Die Zeit mit ihm verging wie im Flug; wir hatten bestellt und gegessen und trotzdem gingen uns die Gesprächsthemen nicht aus. Wir saßen immer noch da und redeten, obwohl der Kellner längst alles von unserem Tisch geräumt hatte, was es zu räumen gab, als zarten Hinweis darauf, dass wir eindeutig zu lang blieben.
Schließlich taten wir ihm den Gefallen zu gehen. Und Paul sagte: »Um ganz ehrlich zu sein – ein bisschen mulmig war mir schon vor dieser Veranstaltung.«
»Um auch ganz ehrlich zu sein – mit dem Gefühl warst du nicht allein«, antwortete ich.
Als wir bei seinem Wagen ankamen, überraschte er mich, indem er mir die Beifahrertür aufhielt. Nett, dachte ich, während er um den Wagen rumlief, um auf der Fahrerseite einzusteigen. Sehr nett.
»Falls sich dieser Abend als totale Katastrophe entpuppthätte«, meinte er beim Einsteigen, »würde ich dir jetzt sagen, wie schön es war, würde dich nach Hause fahren, bis an die Tür bringen und dann so schnell wieder aus deiner Gegend verschwinden, dass ich dabei sämtliche Stoppschilder ignorieren würde.«
»Wie reizend«, sagte ich.
»Aber weil es nicht so war«, fuhr er fort, »würde ich dich gern fragen, ob du mit mir auf eine Party von Freunden kommen möchtest. Hast du Lust?«
Ich erwog meine Alternativen. Bis jetzt war der Abend gut gelaufen. Ein prima Date. Nichts war passiert, das ich hinterher bereuen müsste. Oder worüber ich später zu viel nachgrübeln müsste. Alles war wie im Bilderbuch, einfach perfekt. Andererseits ging mir immer noch im Kopf herum, was meine Mutter zu mir gesagt hatte. Vielleicht hielt ich die Welt wirklich permanent einen Meter auf Abstand. Bis jetzt hatte das Vorteile gehabt, zumindest für mich. Aber man wusste ja nie.
»Klar«, sagte ich. »Lass uns hinfahren.«
»Super.« Erfreut ließ er den Motor an. Während er den Wagen rückwärts aus der Parklücke fuhr, ertappte ich ihn dabei, wie er mir einen Blick zuwarf. Und in dem Moment wusste ich genau, dass es wieder mal losgegangen war. Nicht mehr aufzuhalten. Komisch, wie leicht es mir fiel, wieder anzufangen; dabei war es erst drei Wochen her. Ich hatte gedacht, die Sache mit Dexter würde mich länger beschäftigen und hätte mich irgendwie verändert. Doch da saß ich nun, mit dem nächsten Jungen im nächsten Auto, und das Spiel begann von neuem. Dexter fiel aus dem Rahmen. Die Ausnahme von der Regel. Aber die Situation, in der ich jetzt geradewar, kannte ich. Befand mich wieder auf vertrautem
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