Zu cool für dich
sich dieSeele aus dem Leib. Dexter hatte dieses Foto praktischerweise in Verwahrung.
Es juckte mich ohnehin, ihn ein bisschen zu ärgern. »Ich habe gehört,
Spinnerbait
tritt heute Abend in der Stadt auf.«
Sein Kopf fuhr zu mir herum. »Wo?«
»Im
Murray’s
.« Ich fuhr über eine gelbe Ampel.
»Wo ist das?«
»Weit weg von hier, in der Nähe der Uni. Ziemlich großer Laden übrigens.« Aus dem Augenwinkel erkannte ich, dass er angesäuert auf seinem Ärmel rumkaute.
»
Spinnerbait
ist das Letzte«, brummte er. »Aufgeblasene Arschlöcher, die tun, als wären sie die größten Rockmusiker aller Zeiten. Dabei ist ihr Sound total künstlich und glatt. Und ihre Fans sind nichts weiter als hübsche College-Bubis. Weicheier mit Popperfrisuren, die in Daddys Wagen rumkutschieren und null Geschmack oder Ahnung haben.«
»Hartes Urteil ...« Unfreiwillig musste ich eingestehen, dass diese Beschreibung in gewisser Weise gut auf Trey, Pauls besten Freund, passte. Sogar auf Paul selbst, sofern man ihn nicht näher kannte. Ich kannte ihn natürlich näher.
»Das mit
Spinnerbait
ist interessant«, meinte Lucas, als ich in ihre Straße einbog. »Aber nicht so interessant wie alles andere.«
»Und was ist das?« Im selben Moment erschien vor meinem inneren Auge wieder der weiße Minibus. Wie er vorhin in affenartiger Geschwindigkeit vom Parkplatz weggefahren war.
Lucas warf mir einen Blick zu. Ich spürte, dass er überlegte, ob es mich überhaupt was anging oder nicht.»Wegen der Band«, antwortete er zurückhaltend. »Wir stehen ganz kurz davor.«
»Ach? Kurz wovor?«
Ein vages Achselzucken. Ich verringerte das Tempo. Das gelbe Haus kam in Sicht. Ted und Scary Mary saßen auf Gartenstühlen vor dem Haus. Ihre Füße lagen in seinem Schoß; sie teilten sich eine Tüte Bountys. »Die Leute von
Rubber Records
wollen sich definitiv mit uns zusammensetzen. Nächste Woche fahren wir nach Washington, um ’ne Runde mit ihnen zu quatschen.«
»Wow!« Ich bog in die Auffahrt ein, was nicht ganz einfach war, weil der weiße Minibus quer stand. Ted blickte nur kurz zu uns rüber. Mary dagegen winkte Lucas grüßend zu, als er die Beifahrertür öffnete und ausstieg. »Super«, sagte ich noch.
»Weißt du was?«, rief Lucas Ted zu. »
Spinnerbait
hat heute Abend einen Gig in der Stadt.«
»
Spinnerbait
ist das Letzte«, meinte Mary.
»Wo?«, fragte Ted. Lucas schloss die Wagentür und lief vorne um mein Auto herum.
»Danke fürs Mitnehmen.« Er schlug mit der flachen Hand gegen mein halb geöffnetes Fenster. »Echt nett.«
»Was soll das heißen, Mann?«, brüllte Ted. »Das hier ist unser Territorium!«
»Das Leben ist ein Revierkampf«, antwortete Lucas. Die beiden lachten.
Er wollte gerade gehen. Ich hupte, er wandte sich noch mal zu mir um. »Lucas?«
»Ja?« Er trat wieder einige Schritte auf meinen Wagen zu.
»Viel Glück mit allem!« Ich kam mir etwas seltsam vor, als ich das sagte, weil ich ihn ja im Grunde kaumkannte. Andererseits hatte ich das Bedürfnis, wenigstens etwas zu sagen. Keine Ahnung warum. »Ich meine, mit der Band und so. Viel Glück.«
»Klar«, antwortete er achselzuckend. »Mal sehen, wie’s weitergeht.«
Ich fuhr rückwärts die Auffahrt hinunter. Lucas schnappte sich einen Getränkekasten, setzte sich zu Mary und Ted. Ted warf ihm ein Bounty zu. Die drei sahen aus, als veranstalteten sie ein Picknick. Ich blickte ein letztes Mal Richtung Haus. Monkey saß hechelnd im Eingang. Wo Dexter wohl war? Aber dann sagte ich mir, dass mich das eigentlich nichts mehr anging. Andererseits – wenn er zu Hause gewesen wäre, wäre er sicher rausgekommen und hätte Hallo gesagt, oder? Immerhin waren wir Freunde.
Ich fuhr die Straße entlang und bremste ab, als ich das Stoppschild erreichte. Im Rückspiegel konnte ich sehen, dass Ted, Lucas und Mary immer noch dasaßen und quatschten. Aber mittlerweile hockte auch Dexter bei ihnen auf dem Rasen und wickelte gerade ein Bounty aus der Verpackung. Monkey lief mit wedelndem Schwanz im Kreis um die vier herum. Sie unterhielten sich angeregt. Ich verspürte einen kurzen Stich, so als würde ich etwas verpassen. Eigenartig. Das Auto hinter mir hupte. Ich riss mich zusammen, kehrte in die Realität zurück, verscheuchte den Nebel und fuhr los.
Als ich heimkam, war es still im Haus. Meine Mutter war, wie jedes Jahr im August, nach Florida zu einer Schriftstellertagung gefahren. Sie hielt dort Workshops für hoffnungsvolle Jungautoren ab und genoss für
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