Zu cool für dich
Stift.
Drei Gänge – nur essen gehen – als ob nichts passieren könnte
kritzelte sie auf die Rückseite, setzte ein großes Ausrufezeichen dahinter und schob den Umschlag unter die Zuckerdose, wo er vermutlich liegen bleiben würde. Vergessen und verloren. Bis sie eines Tages beim Schreiben eine ihrer üblichen Blockaden hatte und ihn wiederentdeckte. Diese Art von hastigen Notizen lag überall bei uns im Haus verstreut: zusammengefaltet in irgendwelchen Ecken, hinten auf Regalen, als Lesezeichen in Büchern. Einmal fand ich eine Notiz über Seehunde, deren Inhalt sich später als entscheidender dramatischer Wendepunkt inihrem Roman
Erinnerungen an Truro
entpuppte, in einer Tamponschachtel unter meinem Waschbecken. Man wusste beim Schreiben eben nie genau, wann die nächs te wesentliche Eingebung zuschlagen würde.
»Wir gehen ins
LaBrea
«, sagte ich. »Es gibt vermutlich sowieso nur einen Gang. Die Chancen, dass was daraus wird, stehen also noch schlechter.«
Sie lächelte mich an. »So was weiß man nie im Vorhinein, Remy. Liebe ist unberechenbar. Manchmal kennt man einen Menschen schon seit Jahren. Und plötzlich funkt es! Weil man ihn auf einmal in einem anderen Licht sieht. Und manchmal geschieht es beim ersten Treffen, gleich im allerersten Moment. Das macht ja gerade den Reiz aus.«
»Ich habe nicht vor mich in ihn zu verlieben. Es ist bloß ein Date«, sagte ich.
»Barbara!«, brüllte Don. »Was hast du mit meinen Manschettenknöpfen gemacht?«
Wieder drehte sie sich auf ihrem Stuhl um. »Ich habe deine Manschettenknöpfe nicht angerührt, Liebling.« Sie wartete eine Sekunde, aber weil er nicht weitersprach, wandte sie sich achselzuckend wieder zu mir um.
Ich senkte die Stimme: »Ich kapier nicht, wie du es mit ihm aushältst.«
Lächelnd strich sie mir ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. »So schlimm ist er nun auch wieder nicht.«
»Er ist ein Riesenbaby«, antwortete ich. »Und ich würde garantiert durchdrehen, wenn mein Mann stän dig
Gesundheit garantiert
in sich reinschütten würde.«
»Möglich. Aber ich liebe Don«, erwiderte sie. »Er ist ein anständiger Mann, er behandelt mich gut. Keine Beziehungist perfekt. So etwas gibt es gar nicht. Man muss sich immer ein wenig anpassen, Kompromisse schließen, etwas aufgeben; aber das tut man, weil man dafür etwas Wichtigeres, Besseres bekommt. Ja, Don hat Angewohnheiten, die meine Geduld auf die Probe stellen. Aber ich bin sicher, umgekehrt ist es genauso.«
»Wenigstens benimmst du dich wie ein erwachsener Mensch«, sagte ich, obwohl ich im Stillen genau wusste, dass das nicht immer stimmte. »Er kann sich nicht mal allein anziehen.«
Darüber ging sie kommentarlos hinweg. »Die Liebe, die wir füreinander empfinden, wiegt schwerer als die kleinen Differenzen. Das ist der Schlüssel zum Ganzen. Wenn man sich eine Beziehung mal als Riesentorte vorstellt, muss die Liebe das größte Stück sein. Liebe kann einen für vieles andere entschädigen, Remy.«
»Liebe ist eine Illusion.« Ich ließ den Salzstreuer auf der Tischplatte kreisen.
»Sag so was nicht, mein Schatz.« Sie nahm meine Hand, drückte sie fest. »Das glaubst du doch selbst nicht. Nicht wirklich. Oder etwa doch?«
Ich zuckte die Achseln. »Alles andere muss mir erst noch jemand beweisen.«
»Remy!« Sie nahm meine Hand in ihre. Ihre Hände waren kleiner und kühler als meine, die Fingernägel pink, nicht rot. »Wie kommst du bloß auf so was?«
Ich sah sie an. Eine, zwei, drei Sekunden lang. Dann hatte sie es geschnallt.
»Aber, Schatz.« Sie ließ meine Hand los. »Nur weil ein paar Ehen in die Brüche gegangen sind, heißt das nicht, dass Liebe nicht existiert. Mit deinem Vater habe ich viele schöne Jahre verbracht, Remy. Und das Bestedaran waren – und sind – Chris und du. Meine vier Jahre mit Harold waren von Anfang bis Ende großartig. Selbst mit Martin und Win war ich überwiegend glücklich.«
»Aber irgendwann war es jedes Mal vorbei, sind alle Ehen gescheitert«, sagte ich.
»Scheitern ... manche Menschen würden es vielleicht so sehen.« Sie legte die Hände in den Schoß und überlegte einen Moment. »Aber ich persönlich finde, es wäre schlimmer, wenn ich die ganze Zeit allein geblieben wäre. Natürlich hätte ich mich und meine Gefühle auf diese Weise geschützt – aber wäre das wirklich die bessere Alternative gewesen? Mich abzuschotten, auf niemanden einzulassen? Nur aus Angst, dass eine Beziehung nicht für immer
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