Zu cool für dich
entgegensegelte. So selig, so hoffnungsvoll, so gewillt es endlich zu schaffen. Dafür zu sorgen, dass diese Ehe hielt. Ausgerechnet. Sie war bereit gewesen, sich zu binden, alles andere aufzugeben. Sogar ihre Kunst, ihre eigene Stimme. Nur um mit diesem Mann zusammenzubleiben, der sie nicht nur betrog, sondern seine Schweinereien auch noch für die Ewigkeit festhielt. So ein Bastard! Ich hasste ihn. Ich hasste Dexter. Ich war kurz davor gewesen, mir Beweise dafür zu wünschen, dass ich mich irrte, was die Liebe betraf. Beweise es mir, hatte ich sie aufgefordert. Und sie hatte es versucht. Man kann es schwer beschreiben, war ihreAntwort, es ist kaum fassbar. Von wegen – es liegt nur daran, dass es
für
die Liebe eben keine überzeugenden Argumente gibt. Nur
dagegen
.
Nachdem ich das über Don rausgefunden hatte, war meine Partystimmung im Eimer. Was auch nicht weiter schlimm war, zumal Amanda auf der Liege in der Heißwachskabine eingepennt war, während Lola und Talinga sowieso bloß noch Torte in sich reinstopften und dabei rumstritten, wessen Liebesleben katastrophaler wäre. Wir verabschiedeten uns ein letztes Mal voneinander. Dann verließ ich
Joie Salon
endgültig, bepackt mit meinem Geldumschlag, einem Gratiskarton mit meinem Lieblingsconditioner und der schweren Last zu wissen, dass der neueste Ehemann meiner Mutter das übelste Exemplar von allen war. Auch nicht schlecht, wenn man sich den Rest der Bande anschaute.
Auf der Heimfahrt drehte ich die Klimaanlage voll auf, um klarer denken zu können. Von dem Schock, Patty auf dem Bett meiner Mutter im Schlafzimmer meiner Mutter zu sehen, war ich sowieso schlagartig nüchtern geworden; den Effekt haben Katastrophen in der Regel.
Außerdem war ich stocksauer auf Dexter und dachte beim Heimfahren darüber nach, warum ich diese kleinliche, gemeine, hinterhältige Seite an ihm nie wahrgenommen hatte. Er verbarg sie gut. Und meine Familie mit reinzuziehen war wirklich so mies. Mich zu verletzen – okay, damit kam ich klar. Aber meine Mutter ... das ging echt zu weit.
Ich bog in unsere Auffahrt ein, stellte den Motor ab und saß einen Moment lang still da, während die Klimaanlage mit einem leisen Surren auslief. Ich hatteAngst vor dem, was ich jetzt tun musste. Jemand anderes an meiner Stelle hätte wahrscheinlich geschwiegen und diese Ehe, so verlogen und kaputt sie auch war, weiterlaufen lassen. Aber ich konnte das nicht. Ich wä re nicht in der Lage gewesen, mit dem Wissen von hier wegzugehen, dass meine Mutter ahnungslos weiterlebte. Getäuscht, betrogen. Schlechte Nachrichten überbrachte man am besten so, wie man ein Pflaster abriss: schnell und radikal. Deswegen musste ich ihr die Wahrheit sagen, und zwar so bald wie möglich.
Aber als ich auf die Veranda zulief, spürte ich, dass irgendwas nicht stimmte. Ich hätte nicht genau sagen können was; es war bloß ein Gefühl, unerklärlich wie ein siebter Sinn. Plötzlich wusste ich tief innen, dass ich zu spät kam. Und da hatte ich die
Gesundheit-garantiert - Dosen
, die überall durch die Gegend flogen, noch gar nicht gesehen. Sie lagen auf dem Gartenweg, auf dem Rasen, unter den Büschen; eine stand aufrecht auf den Stufen zur Haustür, als hätte sie jemand nur schnell abgestellt, um sie später mitzunehmen.
Als ich die Haustür öffnete, schleifte etwas über den Boden: noch eine Dose. Sie waren wirklich überall verstreut, in der Eingangshalle, im Flur, pflasterten meinen Weg in die Küche.
»Mom?« Meine Stimme hallte von den Schränken und der Küchentheke wider. Keine Antwort. Auf dem Tisch stapelten sich die Lebensmittel für unser großes Abendessen im trauten Familienkreis: Steaks, Maiskolben, das meiste noch in Supermarktplastiktüten. Daneben lag die Post; ein in ordentlichen Druckbuchstaben an meine Mutter adressierter Umschlag war aufgerissen.
Ich durchquerte den Raum, trat über eine weitere Dose
Gesundheit garantiert
hinweg und erreichte den Durchgang zu ihrem Arbeitszimmer. Der Perlenvorhang hing runter, das altbekannte Zeichen für BITTE NICHT STÖREN. Doch davon ließ ich mich dieses Mal nicht abhalten.
Sie saß auf ihrem Stuhl vor der Schreibmaschine. Auf der Walze steckte das gleiche Foto, mit dem ich nach Dexter geworfen hatte; als wäre es ein Blatt Papier, das sie jeden Moment in die Maschine spannen würde.
Meine Mutter wirkte seltsam ruhig. Der vulkanische Wutausbruch, bei dem die Dosen explodiert und durch die Gegend geschossen waren, schien vorüber zu
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