Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu cool für dich

Zu cool für dich

Titel: Zu cool für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
Vom Netzwerk:
wunderschön aus«, meinte ich. Meinte es wirklich. Sie trug ein langes, tief ausgeschnittenes rotes Kleid, Amethyst-Ohrringe und den üppigen Diamantring, den Don ihr geschenkt hatte. Und sie roch nach
L’Air du Temps
. Als ich klein gewesen war, fand ich, dass nichts auf der Welt so gut röche wie
L’Air du Temps
. Das ganze Haus war von dem Duft erfüllt; er hing in den Vorhängen und Teppichen, so hartnäckig wie sonst nur Zigarettenrauch.
    »Danke, Süße«, sagte sie, während ich die Kette zuhakte. Dabei betrachtete ich uns im Spiegel und war   – wie jedes Mal   – verblüfft, wie wenig wir uns ähnelten: ich blond und schlank, sie dunkel und kurvig. Meinem Vater sah ich allerdings auch nicht ähnlich. Ich hatte nicht viele Fotos von ihm gesehen; auf denen, die ich kannte, war er grauhaarig und sah aus wie viele Rockmusiker aus den Sechzigern: langhaarig und bärtig. Und stoned   – er sah aus, als wäre er dauerhaft bekifft gewesen, was meine Mutter, wenn ich sie darauf ansprach, auch nie bestritt. »Ja, aber er hatte eine so schöne Stimme«, sagte sie dann immer   – zumindest seitdem er tot war. »Ein Lied und es war um mich geschehen.«
    Jetzt drehte sie sich zu mir um, nahm meine Hände und lächelte: »Oh, Remy, ist es zu fassen? Wir werden so glücklich sein!«
    Ich nickte.
    »Wobei«, damit wandte sie sich wieder ihrem Spiegelbild zu, »es ja nicht das erste Mal ist, dass ich vor den Traualtar trete.«
    »Nein«, stimmte ich ihr zu und strich ihre Haare glatt.
    »Aber dieses Mal fühlt es sich irgendwie richtig an, echter. Von Dauer. Glaubst du nicht auch?«
    Ich wusste, was sie hören wollte, zögerte aber. Ich kam mir vor wie in einem schlechten Film; dieses Ritual hatten wir schon zwei Mal durchgemacht, jedenfalls die beiden Male, an die ich mich bewusst erinnern konnte. So, wie die Dinge inzwischen lagen, betrachteten ich und die anderen Brautjungfern die Hochzeitsfeiern meiner Mutter eher wie ein Klassentreffen, wo man sich wiedertraf und herrlich darüber herzog, wer seit der letzten Hochzeit meiner Mutter dicker geworden war oder eine Glatze bekommen hatte. Über die Liebe machte ich mir keine Illusionen mehr. Sie kam, sie ging; manchmal gab es Opfer, Leichen am Wegesrand, manchmal nicht. Menschen waren einfach nicht dafür geschaffen, für immer zusammenzubleiben, egal, was in den Liedern gesungen wurde. Ich hätte ihr den Gefallen tun und die anderen Hochzeitsalben unter dem Bett hervorzerren sollen, um ihr die immer gleichen Fotos darin zu zeigen: Die Hochzeitstorte wird angeschnitten, es wird mit Champagner angestoßen, das Brautpaar eröffnet den ersten Tanz   – dieselben Posen und Situationen, die wir in den kommenden achtundvierzig Stunden wieder miterleben würden. Sie war vielleicht imstande zu vergessen, Ehemänner und Erinnerungen aus ihrem Gedächt nis zu verbannen. Ich konnte es nicht.
    Immer noch lächelte sie mich im Spiegel an. Und ich dachte, wie schon so oft: Wenn sie meine Gedanken lesen könnte, würde es sie umbringen. Oder uns beide.
    »Es wird anders«, sagte sie, aber wohl mehr, um sich selbst zu überzeugen. »Dieses Mal ist anders.«
    »Klar, Mom.« Ich legte meine Hände auf ihre Schultern.Sie kamen mir klein und schmal vor. »Natürlich ist es diesmal anders.«
    Auf dem Weg zu meinem Zimmer lauerte Chris mir auf.
    »Remy! Komm mit, das musst du dir ansehen.«
    Ich warf einen Blick auf die Uhr   – halb sechs   – und folgte ihm in die Kammer, die eng und überheizt war. Das musste so sein wegen der Echsen. Trotzdem kam man sich dort drinnen vor wie in einem stickigen Aufzug auf einer endlosen Fahrt ins Nirgendwo.
    »Guck mal.« Er nahm meine Hand und zog mich neben sich auf den Boden, wo der Brutkasten stand. Der Deckel war abgehoben, die kleine Tupperware-Dose darin mit etwas Moosartigem gefüllt, auf dem drei winzige Eier lagen: eines war zerbrochen, eines eingedellt und irgendwie angematscht; das dritte hatte ein kleines Loch am oberen Ende.
    »Sieh genau hin«, flüsterte Chris und zeigte auf das Ei mit dem Loch.
    »Chris!« Ich blickte erneut auf meine Armbanduhr. »Ich war noch nicht mal unter der Dusche.«
    »Nur einen Augenblick.« Sanft stupste er gegen das Ei. »Ich verspreche dir, es lohnt sich.«
    Wir hockten nebeneinander auf dem Boden. Ich bekam allmählich Kopfschmerzen, weil es so heiß war, und wollte gerade aufstehen, egal, was Chris sagte, da bewegte sich das Ei auf einmal, wackelte ein bisschen. Und plötzlich ploppte ein

Weitere Kostenlose Bücher