Zu cool für dich
in eine Ecke. In ordentlichen Druckbuchstaben schrieb er seinen Namen in die erste Zeile, bevor er mit gerunzelter Stirn die übrigen Fragen durchlas.
»Remy«, rief Lola im Hereinkommen, »ist die Lieferung von der neuen Kosmetikfirma angekommen?«
»Noch nicht«, antwortete ich. Lola war eine große, stämmige Frau, die vorzugsweise knallbunte, enge Klamotten trug. Ihr Lachen war so laut und voluminös wie ihr Körper und ihre Kundinnen hatten so viel Angst und Respekt vor ihr, dass niemand wagte, Zeitschriftenfotos als Vorlage fürs Haareschneiden mitzubringen oder eigene Wünsche zu äußern. Stattdessen ließen sie Lola entscheiden, welches die beste Frisur war. Lola warf einen Blick auf das rothaarige Kerlchen in der Ecke.
»Was machst du hier?«, fragte sie ihn.
Er blickte auf, nahm Lola in ihrer ganzen umfangreichen Gestalt wahr – und zuckte nicht mal mit der Wimper. Nicht schlecht. Geradezu bewundernswert. »Ich bewerbe mich«, antwortete er.
Sie musterte ihn von oben bis unten. »Ist das ein Ansteckschlips?«
»Jawohl, Ma’am.«
Lola sah erst mich, dann wieder ihn an und brach in Gelächter aus. »Du meine Güte, seh sich einer diesen Knaben an. Du möchtest also für mich arbeiten?«
»Jawohl, Ma’am, sehr gerne.« Er war so höflich, dass ich dabei zuschauen konnte, wie er Punkte sammelte. Auf respektvolles Verhalten fuhr Lola voll ab.
»Hast du Erfahrung mit Maniküre?«
Er dachte einen Moment nach. »Nein. Aber ich lerne schnell.«
»Heißwachsbehandlung?«
»Bestimmt nicht.«
»Haare schneiden?«
»Nein.«
Sie neigte den Kopf zur Seite und lächelte ihn an. »Dann bist du leider zu nichts zu gebrauchen, Schätz chen «, meinte sie schließlich.
Er nickte. »Das sagt meine Mutter auch immer. Aber ich spiele in dieser Band und wir brauchen dringend Jobs, und zwar noch heute. Also versuche ich alles, was geht.«
Lola lachte erneut; das Lachen sprudelte von tief unten aus ihrem Bauch nach oben. »Du spielst in einer Band?«
»Jawohl, Ma’am. Wir kommen aus Virginia, werden aber über den Sommer hier bleiben. Wie gesagt, wir brauchen dringend Nebenjobs. Fürs Suchen haben wir uns auf die diversen Läden hier in der Gegend verteilt.«
»Welches Instrument spielst du?«, fragte Lola.
»Schlagzeug«, antwortete er.
»Wie Ringo?«
»Genau.« Er grinste, dann fügte er mit leicht gedämpfter Stimme hinzu: »Sie müssen wissen, dass wir Rothaarigen immer mit Absicht nach hinten gesetzt werden. Sonst könnte ich mich vor den Damen gar nicht mehr retten, Sie verstehen schon, was ich meine.«
Lola lachte so unbändig los, dass Talinga und Amanda aus ihren Kabinen auftauchten.
»Was ist denn hier los?«, fragte Amanda.
»Ich fasse es nicht – ist das ein Ansteckschlips?«, fragte Talinga.
»Hör zu, ich habe wirklich nichts Geeignetes für dich«, sagte Lola, nachdem sie japsend Luft geholt hatte. »Aber ich nehme dich mit rüber zum Coffeeshop und besorge dir da einen Job. Die Besitzerin schuldet mir noch einen Gefallen.«
»Wirklich?«
Sie nickte. »Los, auf geht’s, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
Er sprang auf, wobei der Stift auf den Boden klapperte. Er hob ihn auf und brachte ihn mir mitsamt dem Bewerbungsformular zurück. »Trotzdem danke«, sagte er.
»Kein Problem«, antwortete ich.
»Komm schon, Ringo!«, brüllte Lola von der Tür.
Er zuckte zusammen, grinste und beugte sich dann nä her zu mir: »Er redet immer noch von dir, die ganze Zeit.«
»Wer?«
»Dexter.«
Natürlich. Ausgerechnet. So was konnte auch nur mir passieren. Ringo spielte nicht in irgendeiner, sondern in
der
Band mit.
»Warum?«, fragte ich. »Er kennt mich nicht einmal.«
»Egal.« Ein Achselzucken. »Du bist für ihn ab jetzt ganz offiziell eine Herausforderung. Und er wird nicht aufgeben, niemals!«
Ich saß bloß stumm da und schüttelte den Kopf. Es war einfach absurd.
Er schien meine Reaktion jedoch gar nicht zu bemerken, sondern klopfte mit der flachen Hand auf die Theke,als Zeichen kollegialer Verabschiedung. Dann gesellte er sich zu Lola.
Als sie draußen waren, starrte Talinga mich an: »Kennst du den?«
»Nein.« Das Telefon klingelte, ich griff nach dem Hörer. Die Welt war klein, die Stadt war klein. Nur ein blöder Zufall. »Ich kenne ihn nicht.«
Vor einer Woche hatte ich Dexter, den Musikerheini, kennen gelernt und mich von Jonathan getrennt, doch seitdem an keinen der beiden groß gedacht. In meinem Kopf schwirrte derzeit nur eins herum: die Hochzeit meiner
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