Zu cool für dich
allein über den Kopf wüchsen.
»Oh, Mann!« Lissa blickte Jennifer Anne nach, die mit Chris davonrauschte und dabei unaufhörlich auf ihn einredete. »Sie kann uns nicht ausstehen.«
»Stimmt nicht.« Ich nahm einen weiteren Schluck Champagner. »Sie kann bloß mich nicht ausstehen.«
»Jetzt hör schon auf«, sagte Chloe und stocherte in ihrem Salat herum.
»Warum sollte sie dich nicht ausstehen können?« Lissa leerte ihr x-tes Glas Champagner. Ihr Lippenstift war verschmiert, aber es sah irgendwie niedlich aus.
»Weil sie mich für einen schlechten Menschen hält«, antwortete ich. »Ich verkörpere exakt das Gegenteil von allem, woran sie glaubt.«
»Das stimmt doch gar nicht!« Lissa klang regelrecht gekränkt. »Du bist ein wunderbarer Mensch, Remy!«
Chloe schnaubte. »Wir wollen nicht übertreiben.«
»Doch, das ist sie!«, wiederholte Lissa beharrlich. Sie sprach so laut, dass ein paar Leute am Nebentisch –Dons Mitarbeiter aus der Autohandlung – zu uns rüberschauten.
»Ich bin nicht wunderbar.« Ich legte flüchtig eine Hand auf Lissas Arm. »Ich bin nur nicht mehr ganz so schlimm wie früher.«
»Okay, einverstanden.« Chloe pfefferte ihre Serviette auf den Teller. »Immerhin hast du mit dem Rauchen aufgehört.«
»Jawohl«, stimmte ich zu. »Ich besaufe mich auch kaum noch sinnlos.«
Lissa nickte. »Das ist wahr.«
»Und ich hüpfe auch nicht mehr mit jedem in die Kiste.« Schwungvoll leerte ich mein Glas.
»Hört, hört!« Chloe prostete mir grinsend zu. »Aufgepasst, ihr da drüben in Stanford! Remy ist jetzt quasi eine Heilige.«
»Sankt Remy«, sagte ich versuchsweise. »Nicht schlecht. Gefällt mir.«
Das Essen war in Ordnung. Ich fand das Huhn zwar etwas zäh, aber da war ich anscheinend die Einzige. Und vielleicht war ich ja auch nur voreingenommen, weil ich für Rind plädiert und verloren hatte. Jennifer Anne und Chris kehrten nicht mehr an unseren Tisch zurück. Als ich später zur Toilette ging, entdeckte ich, dass sie desertiert waren und sich an einen Tisch gesetzt hatten, wo ich etliche VIPs platziert hatte, mit denen Don über die Industrie- und Handelskammer bekannt war. Jennifer Anne textete gerade den Stadtdirektor zu. Beim Reden fuchtelte sie wie wild mit der Gabel, um ihre Worte zu unterstreichen. Chris saß neben ihr und schaufelte Essen in sich hinein; inzwischen hatte er auch seinen Schlips bekleckert. Als ermich sah, zuckte er die Achseln und lächelte entschuldigend, nach dem Motto: Ich kann doch auch nichts dafür. Mein Bruder konnte für fast nichts etwas.
An unserem Tisch floss der Champagner mittlerweile in Strömen. Einer von Dons Neffen, der in Princeton studierte, baggerte Chloe an. Lissas netter kleiner Schwips hatte sich in den zehn Minuten meiner Abwesenheit in weinerliches Angetrunkensein verwandelt; sie war auf dem besten Weg, sich sinnlos zu besaufen und in die dazugehörige Depression zu verfallen.
»Ich war fest überzeugt, dass Adam und ich heiraten würden.« Sie lehnte sich mit ihrem ganzen Gewicht an mich. »Ich meine, ich habe wirklich daran geglaubt.«
»Ich weiß.« Erleichtert bemerkte ich, dass Jess auf uns zusteuerte. Sie trug eines der wenigen Kleider, die sie besaß, fühlte sich darin allerdings sichtlich unwohl. Jess fühlte sich in allem unwohl, das nicht Jeans war. Mit einer Grimasse setzte sie sich zu uns.
»Strumpfhosen«, grummelte sie. »Das blöde Ding hat mich vier Dollar gekostet und scheuert wie Schmirgelpapier.«
»Wenn das nicht unsere Jessica ist!«, quietschte Chloe aufgekratzt. »Besitzt du keine Kleider aus diesem Jahrzehnt?«
»Leck mich«, konterte Jess. Dons Neffe hob leicht pikiert die Augenbrauen, während Chloe die Bemerkung ignorierte. Stattdessen wandte sie sich wieder ihrem Champagner sowie einer langen Geschichte zu, die sie dem Neffen gerade über sich selbst erzählte.
»Jess«, flüsterte Lissa, rutschte von meiner Schulter und ließ sich auf die andere Seite sacken, so dass ihr Kopf gegen Jess’ Ohr drückte. »Ich bin betrunken.«
»Das merke ich«, erwiderte Jess trocken und schubste sie zu mir zurück. »Mann, bin ich froh, hier zu sein!«
»Jetzt sei doch nicht so«, meinte ich. »Hast du Hunger?«
»Ich hab zu Hause noch ein Thunfisch-Sandwich gegessen.« Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete sie das gigantische Tischschmuck-Arrangement in der Mitte der Tafel.
»Warte mal kurz.« Ich stand auf und ließ Lissa dabei sanft auf ihren Stuhl zurückgleiten. »Bin gleich wieder
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