Zu cool für dich
da.«
Ich war – einen Teller mit Huhn, Spargel und Gemüserisotto in der Hand – schon wieder auf dem Rückweg zu unserem Tisch, da hörte ich, wie das Mikrofon vorne auf der Bühne knisterte; ein paar spielerische Gitarrenakkorde ertönten.
»Hallo zusammen«, sagte jemand. Unwillkürlich duckte ich mich zwischen zwei Tische, wobei ich geschickt einem Kellner auswich, der gerade leer gegessene Teller abräumte. »Wir sind die
G-Flats
, eure Band für den heutigen Abend. Auch wir möchten Don und Barbara gratulieren und ihnen alles Gute wünschen!«
Die Leute applaudierten. Ich blieb stehen, wo ich stand, und drehte mich langsam um. Don hatte darauf bestanden, die Band persönlich zu engagieren, weil ihm, wie er sagte, noch jemand einen Gefallen schuldete. Doch in diesem Moment wünschte ich mir nichts sehnlicher, als dass ich einfach unsere übliche Motown-Formation angeheuert hätte – obwohl die schon bei den vorherigen Hochzeiten meiner Mutter gespielt hatte.
Denn es war natürlich Musikerheini Dexter, der vorne am Mikro stand. Er trug einen schwarzen Anzug, derihm eine Nummer zu groß war, und fragte gerade: »Was meint ihr, Leute? Wollen wir ein bisschen Schwung in die Party bringen?«
Hilfe, was wird das denn?!, dachte ich im Stillen, als die Band – ein Gitarrist, ein Keyboardspieler und am Schlagzeug Ringo, der Rothaarige, den ich am Vortag kennen gelernt hatte – eine fetzige Version von
Get Ready
anstimmte. Die Jungs trugen Secondhand-Anzüge, Ringo außerdem wieder seinen Ansteckschlips. Und schon bevölkerten ausgelassene Menschen die Tanzflä che , wippten, drehten sich, hüpften im Takt, meine Mutter samt Don begeistert mittendrin.
Ich kehrte zu unserem Tisch zurück, gab Jess ihren Teller und ließ mich auf meinen Stuhl fallen. Wie ich erwartet hatte, war Lissa mittlerweile völlig aufgelöst und presste eine Serviette an ihre tränenüberströmten Wangen, während Jess mechanisch ihr Bein tätschelte. Chloe und der Neffe waren verschwunden.
»Ich glaub’s nicht«, sagte ich.
»Was glaubst du nicht?«, fragte Jess und nahm ihre Gabel. »Mann, riecht das gut!«
»Diese Band ...«, wollte ich gerade loslegen, aber weiter kam ich nicht, denn vor mir tauchte plötzlich Jennifer Anne auf, Chris im Schlepptau.
»Mom will, dass du sofort mitkommst«, sagte Chris.
»Bitte?«
»Du musst auch tanzen.« Jennifer Anne, unsere Expertin für Etikette und gute Manieren, zog mich glatt vom Stuhl. »Der Rest der Hochzeitsgesellschaft ist schon auf der Tanzfläche.«
»Oh, bitte nicht.« Ich blickte zur Tanzfläche, von wo meine Mutter mich natürlich exakt in diesem Momentmit einem verklärten Lächeln und einer Du-kommst-jetzt-sofort-her-Geste bedachte. Notgedrungen schnappte ich mir Lissa – auf keinen Fall würde ich allein gehen – und zog sie am Arm durch das Labyrinth von Tischen und Menschen.
»Mir ist aber gar nicht nach tanzen«, schniefte sie.
»Mir auch nicht«, fauchte ich.
»Remy! Lissa!«, kreischte meine Mutter. Sie streckte die Arme aus und zog uns beide an sich. Ich spürte die Wärme ihrer Haut, den weichen, glatten Stoff ihres Kleides. »Das macht Spaß, nicht wahr?«
Wir standen mitten im Gewühl. Als die Band jetzt übergangslos
Shout
intonierte, stieß jemand hinter mir einen lauten Juchzer aus. Don, der bisher wild mit meiner Mutter getanzt hatte, packte unvermittelt meine Hand und wirbelte mich heftig nach außen. Er kugelte mir fast den Arm aus, bevor er mich wieder an sich riss. Dabei rotierte er die ganze Zeit wie wahnsinnig mit dem Unterleib.
»Das sieht ja richtig gefährlich aus!«, sagte Lissa, die die Aktion beobachtet hatte. Doch in dem Moment flog ich schon in eine andere Richtung. Don tanzte mit einer solchen Power, dass ich Angst um unser aller Leben bekam. Ich versuchte ihn wieder an meine Mutter anzudocken; die war allerdings gerade anderweitig beschäftigt, weil sie mit einem seiner zahlreichen Neffen abrockte.
»Hilf mir!«, zischte ich Lissa zu, während ich an ihr vorbeisauste. Doch Don hielt mein Handgelenk eisern umklammert und zog mich jetzt dicht an sich. Wie ein Verrückter hopste er mit mir auf und ab, bis meine Zäh ne klapperten; sollte wohl so eine Art Charleston sein. Extrem albern – aber bei weitem nicht so albern wieChloes blödes Gekicher. Sie stand am Rand der Tanzflä che und lachte sich über uns kaputt.
»Du bist eine prima Tänzerin!«, schrie Don, warf seinen Arm um meine Hüfte und bog mich
Weitere Kostenlose Bücher