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Zu cool für dich

Zu cool für dich

Titel: Zu cool für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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Fingern sanft die Konturen meiner Wangen, meines Gesichtes nach. Eine theatralische Geste, wie die meisten ihrer Gesten; aber weil sie das gemacht hatte, seit ich zurückdenken konnte, fühlte es sich vertraut und damit tröstlich an. Ihre Hände waren wie immer angenehm kühl.
    »Ach, Remy, mein Schatz. Du bist die Einzige, die versteht.«
    Ich wusste, was sie meinte, und gleichzeitig auch wieder nicht. Ich war meiner Mutter zwar in vielem ähn lich , aber darauf war ich nicht gerade stolz. Und was die Liebe anging   ... vielleicht wäre ich anders geworden, wenn meine Eltern zusammengeblieben und gemeinsam alt geworden wären. Zwei ewige Hippies, die nach dem Abendessen beim Abwasch Protestlieder sangen. Wenn ich persönlich miterlebt hätte, was Liebe bedeutet, was sie bewirken kann, hätte ich vielleicht auch daran geglaubt. Aber ich hatte einen zu großen Teil meines Lebens damit verbracht zuzuschauen, wie Ehen geschlossen wurden und wieder auseinander gingen. Trotzdem verstand ich, was sie meinte. Und wünschte mir in letzter Zeit manchmal, ich verstünde es nicht. Ganz und gar nicht.
     
    »Aber das Wasser läuft doch noch rein.«
    »Genau deswegen.« Ich nahm ihm das flüssige Waschmittel aus der Hand und schraubte den Deckel ab.
    »Ich tue das Waschmittel immer erst rein, wenn die Maschine voll gelaufen ist und das Waschprogramm startet«, sagte er.
    »Deshalb werden deine Klamotten auch nie richtig sauber.« Ich goss etwas Waschmittel in die Maschine, während der Wasserpegel anstieg. »Waschen hat was mit Chemie zu tun, Dexter.«
    »Es ist doch bloß Wäsche und kein naturwissenschaftliches Experiment.«
    »Bloß?!«
    »Die anderen sind noch viel schlimmer«, verteidigteer sich. »Die waschen nie«, fuhr Dexter fort. »Und dass sie die Wäsche vorher in Farbiges und Helles trennen   – vergiss es.«
    »Weißes, nicht Helles«, korrigierte ich ihn. »Farbige und helle Sachen kann man bei dreißig Grad zusammen waschen. Das nennt man Buntwäsche.«
    »Bist du eigentlich immer so zwanghaft?«
    »Willst du, dass wieder alles rosa wird?«
    Das brachte ihn zum Schweigen. Denn der Auslöser für unsere kleine Wäschewaschlektion an diesem Abend war, dass er vor kurzem ein neues rotes Hemd mit in die Sechzig-Grad-Wäsche geschmissen hatte, wodurch sämtliche seiner Klamotten von einem Hauch Rosa überzogen wurden. Seit dem Besteck-Zwischenfall hatte ich zwar alles getan, um als das Gegenteil von häuslich zu erscheinen. Aber mit einem rosafarbenen Freund hielt ich es auf Dauer einfach nicht aus. Deshalb stand ich jetzt also in der Waschküche des gelben Hauses. Einem Ort, den ich unter normalen Umstän den nie betreten hätte, weil es darin von dreckiger Unterwäsche, Socken und Unmengen vor sich hin müffelnder T-Shirts nur so wimmelte. Die schienen dort zu wohnen; manchmal drangen sie sogar bis in den Flur vor. Aber das war nicht weiter verwunderlich, denn niemand im gelben Haus kam je auf die Idee, Waschpulver zu kaufen. Vergangene Woche hatte John Miller seine Jeans mit Palmolive gewaschen.
    Nachdem das Waschprogramm gestartet war, stieg ich vorsichtig über einen Berg gefährlich wirkender Socken, flüchtete mich auf den Flur und schloss die Tür. Anschließend folgte ich Dexter in die Küche. Luc saß am Tisch und aß eine Mandarine.
    »Wäschst du Wäsche?«, fragte er Dexter.
    »Ja.«
    »Schon wieder?«
    Dexter nickte. »Ich entfärbe meine Klamotten.«
    Lucas wirkte schwer beeindruckt. Aber auf seinem Hemdkragen prangte ja auch deutlich sichtbar ein Ketchupfleck. Er sagte: »Wow, das ist echt   ...«
    Plötzlich war es dunkel. Stockfinster. Alle Lampen gingen aus, das Surren des Kühlschranks erstarb, das schabende Geräusch der Waschmaschine ebenfalls. Die Außenbeleuchtung des Nachbarhauses war die einzige Lichtquelle.
    »He, was soll das?«, brüllte John Miller nebenan aus dem Wohnzimmer, wo er gerade, wie jeden Abend um diese Zeit, völlig versunken
Glücksrad
guckte. »Ich hatte es gerade fast rausgekriegt, Mann.«
    »Halt die Klappe.« Lucas stand auf, ging zum Lichtschalter und betätigte ihn ein paarmal. An, aus, an, aus, klick klack klick. »Bestimmt ist die Sicherung rausgeflogen.«
    »Im ganzen Haus ist es dunkel«, meinte Dexter.
    »Und?«
    »Falls es bloß die Sicherung wäre, wäre nicht alles auf einmal aus, sondern einiges noch an.« Dexter nahm ein Feuerzeug vom Küchentisch. »Vermutlich ein totaler Stromausfall, wahrscheinlich im ganzen Viertel.«
    »Oh.« Lucas setzte sich wieder.

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