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Zu cool für dich

Zu cool für dich

Titel: Zu cool für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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dem Kopf. »Grauenvolle Geschöpfe.« Sie strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Wunderschön anzusehen, aber bösartig. Die Römer hielten Schwäne anstelle von Wachhunden.«
    Ich nickte und trank meinen Kaffee. Die Katze schnarchte in der Ecke vor sich hin.
    »Deshalb fing ich an über den Preis der Schönheit nachzudenken«, fuhr sie fort. »Oder   – allgemeiner betrachtet   – über den Preis von allem. Würde man Liebe gegen Schönheit eintauschen? Oder gegen Glück? Ein attraktiver Mensch mit einem bösartigen Charakter   – wäre das ein lohnender Handel? Und wenn man sich darauf einließe? Wenn man sich entschlösse den schö nen Schwan zu nehmen, in der Hoffnung, dass er sich nicht gegen einen wendet   – was passiert, falls er es doch tut?«
    Lauter rhetorische Fragen. Ich überlegte.
    »Ich konnte nicht aufhören darüber nachzudenken.« Sie schüttelte den Kopf. »Und dann konnte ich nicht mehr einschlafen. Ich glaube, es liegt an diesem Wandteppich, den Don unbedingt in unserem Schlafzimmer aufhängen wollte. Ich kann mich nicht entspannen, wenn ich ständig Darstellungen von Schlachtfeldern und gekreuzigten Menschen vor Augen habe. Und dann noch mit so viel Liebe zum Detail gestickt.«
    »Das Teil ist wirklich ein bisschen viel«, stimmte ich ihr zu. Jedes Mal, wenn ich in ihr Zimmer ging, um was zu holen oder so, fühlte ich mich fast wie hypnotisiert. Es war nicht leicht, sich dem Anblick Johannes des Täufers zu entziehen, der soeben enthauptet wurde.
    »Deshalb kam ich runter. Ich dachte, ich würde nurein bisschen rumspielen, aber jetzt ist es acht Uhr morgens und ich bin mir immer noch nicht sicher, wie die Antwort lautet. Wie kommt das bloß?«
    Die Musik verklang. Es wurde sehr still im Raum. Ich hatte fast das Gefühl, dass sich mein Magengeschwür meldete, aber vielleicht war es auch nur der Kaffee. Wenn meine Mutter einen Roman schrieb, war sie noch exaltierter als sonst. Mindestens einmal wäh rend des Schreibprozesses stürzte sie, den Tränen nah, in die Küche und wurde total hysterisch, weil sie glaubte, sie könnte überhaupt nicht mehr schreiben, das neue Manuskript wäre völliger Mist, eine Katastrophe, das Ende ihrer Karriere. Chris und ich hörten uns diese Ausbrüche immer nur schweigend an, bis sie zu Ende gezetert und gejammert hatte. Nach einigen Minuten, Stunden oder   – wenn es richtig schlimm wurde   – Tagen kehrte sie dann jedes Mal in ihr Arbeitszimmer zurück, schloss den Vorhang und tippte eifrig weiter. Und wenn ein paar Monate später die frisch gedruckten, neu riechenden Bücher mit ihren glänzenden, unzerknitterten Umschlägen eintrafen, hatte sie die Krisen, die anscheinend Teil ihres kreativen Prozesses waren, längst wieder vergessen. Als ich sie mal darauf aufmerksam machte, meinte sie, Romane schreiben sei wie Kinder gebären: Falls man sich tatsächlich daran erinnern könnte, wie grässlich es war, würde man es nie wieder tun.
    »Du schaffst das schon«, meinte ich. »Du hast es bisher immer geschafft.« Sie biss sich auf die Lippe, blickte auf das Blatt in der Schreibmaschine und dann aus dem Fenster. Die Sonne strömte herein; mir fiel auf, wie erschöpft sie wirkte, ja fast traurig, auf eine Weise, die ichbisher nicht an ihr wahrgenommen hatte. »Ich weiß«, sagte sie. Aber so, als würde sie mir nur zustimmen, um nicht weiter drüber sprechen zu müssen. Einen Moment lang herrschte Schweigen. Dann wechselte sie Thema und Stimmung plötzlich komplett und fragte: »Wie geht es Dexter?«
    »Ich denke, okay.«
    »Ich kann ihn gut leiden.« Sie gähnte erneut und lä chelte mich entschuldigend an. »Er ist nicht wie die anderen Jungen, mit denen du befreundet warst.«
    »Ich hatte eine eiserne Regel: keine Musiker.«
    Sie seufzte. »Ich auch.«
    Wir lachten. Dann fragte ich: »Und warum hast du gegen die Regel verstoßen?«
    »Oh, aus dem gleichen Grund wie alle anderen auch«, antwortete sie. »Ich war verliebt.«
    Chris rief: »Tschüs.« Die Haustür fiel ins Schloss   – er ging zur Arbeit. Wir sahen ihm nach, während er die Auffahrt entlang zu seinem Auto lief, eine Dose Sprite   – sein Kaffeeersatz   – in der Hand.
    »Ich glaube, er wird ihr bald einen Ring kaufen. Falls er es nicht schon getan hat«, meinte meine Mutter nachdenklich. »Ich weiß nicht warum, aber ich habe so eine Intuition.«
    »Tja, wenn jemand so was weiß, dann du«, sagte ich.
    Sie trank ihren restlichen Kaffee, streckte die Hand aus und fuhr mit den

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