Zu cool für dich
nur, wir brauchen einen Plan B, falls die
Kartoffel-Songs
nicht gut ankommen«, wandte Lucas ein. »Wenn sie nun Kartoffeln hasst? Oder die Songs total kindisch findet?«
Pause. Ted und Dexter waren ziemlich perplex und brauchten einen Moment, um diese Bemerkung zu verdauen.Schließlich fragte Ted: »So denkst du also über das
Kartoffel-Opus
?«
»Nein«, entgegnete Lucas rasch und warf Dexter einen Hilfe suchenden Blick zu. Dieser wiederum zupfte mittlerweile so hektisch an seinem Kragen, dass ich einfach etwas unternehmen musste. Ich nahm seine Finger, löste sie vom Kragen und zog seine Hand nach unten. Er merkte es kaum. Lucas sagte: »Ich finde doch nur, wir sollten uns bemühen nicht unoriginell rüberzukommen.«
»Und Coversongs zu spielen ist nicht unoriginell?«, fragte Dexter.
»Coversongs machen Stimmung und zeigen, was wir draufhaben«, hielt Lucas dagegen. »Hört mal, ich hab schon in ’ner Menge Bands mitgespielt ...«
»O Gott!« Ted hob in einer dramatischen Geste die Hände. »Sind wir mal wieder so weit? Also gut, belehre uns, o weiser Mann.«
»... und ich weiß aus Erfahrung, dass Agenten auf Sets abfahren, die so aufgebaut sind, dass die Leute in Stimmung kommen. Und die das ganze Potenzial einer Band demonstrieren. Das bedeutet, wir sollten eine Mischung spielen: ein paar von unseren Originaltiteln und einige Coverstücke, aber in unserem eigenen Stil. Ich rede doch gar nicht davon, dass wir
I Got You Babe
genauso runterleiern sollen wie
Sonny & Cher
. Wir bringen die Sachen eben in
unserer
Version.«
»Wir spielen heute Abend kein Lied von
Sonny & Cher
. Nur über meine Leiche«, schrie Ted. »Vor der Tante mimen wir nicht die
G-Flats
, niemals. Nicht diese Hochzeitsscheiße. Vergiss es!«
»War nur ein Beispiel«, meinte Lucas trocken. »Wirkönnen auch was anderes spielen. Komm mal wieder runter, okay?«
»Hallo, ihr da drüben«, rief Robert, der Besitzer des
Bendo
, vom Tresen her. »Spielt ihr heute noch, eventuell?«
»Auf geht’s.« Ted stand auf, trank sein Bier aus.
»Haben wir jetzt was entschieden?«, fragte Lucas. Ted ignorierte ihn. Trotzdem gingen sie gemeinsam Richtung Bühne.
Dexter seufzte und fuhr sich mit beiden Händen durch die Locken. Ich hatte ihn noch nie so angespannt erlebt. »Krass«, sagte er leise und schüttelte den Kopf. »Was für ein Stress!«
»Denk gar nicht mehr dran«, antwortete ich. »Geht auf die Bühne und spielt wie immer. Die ganze Diskutiererei bringt euch völlig raus.«
»Wir haben scheiße gespielt, oder?«
»Nein«, antwortete ich. Was nicht vollkommen gelogen war. Allerdings hatte Ted sich mehr als einmal verspielt, John Miller eine völlig übertriebene Show abgezogen (seine Trommelstöcke in die Luft geworfen und sie
nicht
wieder aufgefangen) und Dexter den Text von
Kartoffel-Song Nummer drei
komplett verdreht; dabei konnte er das Lied im Schlaf. »Aber ihr klangt unsicher. Wackelig. Und das habt ihr nicht nötig. Schließlich seid ihr schon eine Million Mal aufgetreten.«
»Eine Million Mal.« Er wirkte nicht sehr überzeugt.
»Es ist wie Fahrrad fahren«, sagte ich. »Wenn man zu genau drüber nachdenkt, wird einem überhaupt erst klar, was für ein komplizierter Vorgang es ist. Zerbrich dir nicht den Kopf über die Technik, die dazugehört. Lass es einfach laufen, ganz von allein.«
»Du hast Recht.« Er küsste mich auf die Wange. »Warum hast du bloß immer so Recht?«
»Es ist ein Fluch«, entgegnete ich achselzuckend. Er kniff mich spielerisch ins Bein, rutschte aus der Bank und drängelte sich durchs Gewühl, wobei er schon wieder an seinem Kragen zerrte. Als er an John Miller, der immer noch auf Scarlett einlaberte, vorbeikam, schnippte er ihm kurz gegen den Hinterkopf. Ted hängte sich die Gitarre um, spielte ein paar Akkorde an, wechselte Blicke mit Lucas und Dexter. Die drei nickten sich zu und verabredeten kurz den Ablauf des nächsten Sets.
Der erste Song klang immer noch ein wenig unsicher. Aber der nächste lief schon besser. Ich sah, wie Dexter sich allmählich entspannte, sich mit der Musik treiben ließ. Und als beim dritten Lied die
A&R
-Frau reinkam, klang die Band präziser und besser als den gesamten Abend über. Ich wusste sofort, dass sie es war. Zum einen war sie ein wenig zu alt fürs
Bendo
, wo hauptsächlich Studenten und jüngeres Publikum abhingen. Und dann war sie viel zu modisch gestylt. So lief in unserem Kaff niemand rum: schwarze Hose, seidig schimmernde Bluse, Brille mit
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