Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
und immer wieder prallte das Boot gegen den Schiffsrumpf.
    Hayden und Hawthorne stützten den hinkenden Master und halfen ihm über die Reling. Als das Beiboot mit einem Mal hochgedrückt wurde, rutschte Barthe an der Jakobsleiter ab und fiel das letzte Stück ins Boot. Hawthorne sah Hayden erschrocken an, aber inzwischen war es zu spät, den Master zurück an Bord zu hieven. Mit schmerzverzerrter Miene raffte er sich auf, umschloss die Ruderpinne mit einer Hand und mied den Blick seines Kapitäns.
    »Ihnen viel Glück, Mr Barthe!«, rief Hayden, worauf sein Master kurz nickte. Noch nie hatte Hayden den alten Seemann so ernst gesehen. Erst da wurde ihm klar, wie wenig Hoffnung Barthe in dieses schwierige Unterfangen setzte.
    Nachdem alle Männer in dem schwankenden Boot ihre Plätze eingenommen und die Rudergasten die Riemen in Position gebracht hatten, gab Barthe den Befehl zum Ablegen – der sogleich von Wickham auf Französisch weitergegeben wurde. Beide Engländer gaben sich Mühe, Zuversicht in ihre Stimmen zu legen – eine Zuversicht, die weder der Master noch der Midshipman verspürte, wie Hayden sehr wohl ahnte.
    »Glauben Sie, die schaffen das?«, fragte Hawthorne, während sie zusahen, wie sich die Franzosen in die Riemen legten.
    »Ich fürchte, Barthe ist nicht sehr zuversichtlich.«
    »Wussten Sie, dass er nicht schwimmen kann?«
    »Es würde ihm auch nicht viel nützen, wenn er es könnte, Mr Hawthorne. Diesem Wellengang ist kein Schwimmer gewachsen.«
    »Gott schütze dieses Boot«, murmelte der Leutnant der Seesoldaten.
    »… und segne die Seemannskunst«, fügte Hayden hinzu.
    »Mir wär’s lieber gewesen, an den Riemen säßen Engländer, wenn Sie mich fragen«, sagte Hawthorne leise.
    »Lacrosse hat seine besten Leute ausgewählt. Da bin ich mir sicher.«
    »Dann sind Sie zuversichtlicher als der französische Kommandant.« Hawthorne nickte in Richtung des französischen Kapitäns, der steif an der Reling stand und eine Hand vor den Mund hielt, ganz so, als halte er vor Schreck den Atem an. Wäre Lacrosses Sohn in diesem Boot gewesen, der Franzose hätte nicht erschrockener aussehen können.
    Hoffnung und Furcht lagen in den Blicken der Männer, die dem Boot nachsahen. Wenn es gelänge, das Boot sicher an Land zu bringen, dann könnte ein zweites Boot zu Wasser gelassen werden. Das Problem war allerdings, dass es nur noch ein Boot gab, und das würde nicht mehr als dreißig Seelen aufnehmen können.
    Bei jeder Woge wurde das Boot hochgedrückt und weitergespült, während sich Barthe und Wickham an die Ruderpinne klammerten und die Befehle über die Köpfe der Rudergasten hinweg schrien. Als sich ein Brecher über das Heck ergoss, war das Boot einen Moment lang nicht mehr zu sehen, da es in ein Wellental gesackt war. Hayden befürchtete schon, dass das Boot kieloben treiben würde und die Männer hilflos in der schäumenden See strampelten, doch das Boot eroberte den nächsten Wellenkamm. Einige Matrosen schöpften Wasser aus dem Innern, andere riefen unverständliche Worte.
    Erneut fiel das Boot in ein Wellental, und alle Männer an Bord der Droits de l’Homme reckten die Hälse, um besser sehen zu können. Das Heck ging nach oben, wurde von einer Welle nach Steuerbord gedrückt und war nicht mehr zu sehen.
    Die Männer auf dem Wrack hielten den Atem an und warteten darauf, einen Blick von den Bootsgasten zu erhaschen. Endlich war das Boot wieder zu sehen, und die Männer an den Riemen versuchten verzweifelt, das Heck im rechten Winkel zum Seegang zu halten. Als wieder eine riesige Welle das Heck nach Steuerbord schleuderte, schloss Hayden die Augen, glaubte er doch, dass die Unglückseligen dort draußen gekentert seien.
    Ob das Boot bei der nächsten Welle wieder hochgedrückt wurde, vermochte Hayden nicht zu erkennen, da weitere hohe Wellen vorüberzogen. Die Männer entlang der Reling seufzten. Viele hielten sich die Hände vors Gesicht, mehr als einer schien seinen Tränen freien Lauf zu lassen. Denn dort draußen war offenbar die letzte Hoffnung der Schiffbrüchigen gestorben.
    Hawthorne fluchte vernehmlich.
    Doch plötzlich tauchte das Boot wieder in all den schäumenden Strudeln auf. Es lag jetzt tief im Wasser, und Hayden fürchtete, dass es kentern könnte, wenn das Wasser in der Bilge zu einer Seite schwappte. Die Männer ruderten um ihr Leben, das konnte Hayden selbst auf die Entfernung erkennen, und die ganze Zeit harrten Barthe und Wickham standhaft an der Ruderpinne

Weitere Kostenlose Bücher