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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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ausschwingen. Da kam ihm der Gedanke, dass sie womöglich alle bis zum Festland laufen könnten, wenn die Gezeiten an dieser Küste tatsächlich so stark waren. Es gab Stellen, an denen sich die See bei Ebbe weit zurückzog, aber er ahnte, dass dies hier nicht der Fall sein würde.
    Um ihn herum mischte sich Flüstern in die Windgeräusche. Die französischen Seeleute regten sich. Viele begannen Gebete zu murmeln und bekreuzigten sich. Dann erhoben sich einige und versuchten, wie Hayden, sich durch Bewegungen an Deck ein wenig aufzuwärmen. Auch Haydens Kameraden standen nun auf.
    Die aufgehende Sonne war an diesem Tag nicht zu sehen, bloß ein mattes Leuchten, das aus dem Nichts zu kommen schien, eine Art Zwielicht, das wahrscheinlich den ganzen Tag über anhalten würde, wie Hayden befürchtete. Sie hatten nichts zu essen – nichts würde die Männer ernähren, ihnen blieb nur die Hoffnung, die Küste zu erreichen.
    Hayden begab sich nach achtern und traf dort auf Lacrosse, der mit den Leutnants sprach – er schien seine Offiziere anzuflehen, zumindest machten die Gesten auf Hayden diesen Eindruck. Doch was auch immer dort besprochen wurde, die Leutnants schienen nicht einzulenken. Schließlich entdeckte Lacrosse Hayden und entließ seine Offiziere. Vorsichtig kam er auf dem Deck auf Hayden zu.
    »Wie geht es Ihren Männern, Capitaine ?«, erkundigte Lacrosse sich auf Englisch. Da es für die beiden Kommandanten keine Gelegenheit gab, irgendwo ungestört sprechen zu können, verlegten sie sich auf die Sprache der Royal Navy.
    »Sie haben alle die Nacht überstanden, aber ich denke, dass wir nicht lange überleben werden, wenn wir nicht bald Wasser, Nahrung und Schutz bekommen.«
    Lacrosse schüttelte traurig den Kopf. »Einige Männer ließen vergangene Nacht ihr Leben, aber es war kein Unfall, fürchte ich.«
    »Sir?«
    »Auf dem oberen Batteriedeck fanden wir zwei Mann. Man hatte sie erstochen, offenbar wegen ein paar Bissen Brot.«
    Hayden konnte darüber nicht zu Gericht sitzen – auch auf seinem Schiff war es einst zu einem Mord gekommen, als er noch Erster Leutnant unter Hart gewesen war – und dann die Sache mit Greenfield. »Dieser Sturm wird wohl nicht abflauen. Wenn wir Pech haben, auch morgen nicht. Werden Sie trotzdem versuchen, ein Boot zu Wasser zu lassen?«
    »Das ist mein Wunsch, aber meine Leutnants – sie sind nicht bereit dazu. Ich habe nur noch einen Aspirant , dem ich den Befehl über das Beiboot übertragen könnte.«
    »Können Sie keinen Ihrer Leutnants zwingen, das Kommando zu übernehmen?«
    »Ich schäme mich, es zu sagen, Capitaine Hayden, aber ich glaube, meine Offiziere würden sich alle widersetzen. Wenn ich schon nicht mehr auf die Unterstützung meiner Leutnants zählen kann, wie soll ich dann noch diese Besatzung befehligen?«
    Hayden hielt sich einen Moment mit einer Antwort zurück. Lacrosse schien offenbar damit zu rechnen, dass Hayden ihm anbieten würde, das Kommando über das Boot zu übernehmen, oder einen seiner eigenen Offiziere für diese Aufgabe abstellen würde, aber Hayden zögerte. Das Vorhaben erforderte großes Geschick, doch das allein würde vermutlich nicht ausreichen, um ein Boot in aufgewühlter See sicher an Land zu bringen. Da brauchten sie noch eine gehörige Portion Glück.
    Einerseits war Hayden bereit, den Versuch zu unternehmen, aber er wollte seine Männer nicht zurücklassen. Andererseits wollte er Lacrosse nicht sich selbst überlassen. Der Mann hatte ihm einen großen Gefallen erwiesen, als er ankündigte, die besagten Briefe zu vernichten. Daher wollte Hayden ihn nicht zurücklassen. Immerhin musste man in Betracht ziehen, dass ein Boot es nicht bis zum Festland schaffen würde – abwegig war der Gedanke bei dieser Brandung keineswegs. Bei einem solchen Unterfangen setzte Hayden das Leben seiner ganzen Crew aufs Spiel. Und da gab es noch ein Problem – niemand wollte der Erste bei diesem Wagnis sein.
    »Ich könnte einen meiner Offiziere mit dieser Aufgabe betrauen, wenn Sie damit einverstanden wären«, bot Hayden an.
    »Mir bleibt wohl keine andere Wahl, Capitaine «, erwiderte Lacrosse erleichtert und beschämt zugleich.
    »Dann lassen Sie mich mit den Männern sprechen. Schicken wir das kleine Boot?«
    »Ja. Ich suche verlässliche Männer für die Riemen.«
    Hayden begab sich zu seinen Kameraden.
    »Werden wir ein Boot ausschwingen, Sir?«, fragte Archer ihn sofort.
    »So lautet Lacrosses Wunsch. Er bittet mich, dass einer von uns das

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