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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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aus.
    Wieder verschwand das Boot aus seinem Blickfeld und blieb hinter Wellen verborgen.
    »Sie waren eben gar nicht mehr weit vom Strand entfernt«, flüsterte Hawthorne Hayden zu, »glauben Sie, dass sie sich jetzt einfach an Land spülen lassen können?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Hayden leise. »Vielleicht sind sie auch noch weiter weg, als es von hier aus den Anschein hat.«
    »Ich hoffe, dass wir unsere Kameraden nicht verloren haben, Sir.«
    »Gott schütze sie beide«, sagte der Reverend und schloss zu Hawthorne und Hayden an der Reling auf. »Kann denn Mr Wickham nicht das letzte Stück bis zum Land schwimmen?«
    »Die Brandung ist gefährlich, Mr Smosh, und das Wasser ungemein kalt. Ist man zu lange in der kalten See, verliert man das Bewusstsein. Sollte das Boot kentern, so habe ich wenig Hoffnung, dass auch nur einer der Männer überlebt.«
    »Ich habe zu Gott dem Allmächtigen gebetet, auf dass er das Leben der Männer erhalte – auch das Leben der Papisten –, aber der Herr hat seine eigenen Pläne mit uns und lässt sich gewiss nicht von den Worten eines kleinen Reverend beeinflussen, fürchte ich.«
    Im selben Moment brandete Jubel entlang des Schanzkleids auf. Hayden spähte in Richtung Küste und sah, dass Männer am Strand in die Brandung wateten. Dann war mit einem Mal auch wieder das Boot zu sehen, fast bis zum Dollbord im Wasser. Die Rudergasten waren herausgespült worden und klammerten sich an das Boot. Man half ihnen an Land. Die Männer taumelten, stemmten sich gegen den Sog der Ebbe, wurden nach vorn geschleudert und landeten auf den Knien. Aber sie hatten es an Land geschafft.
    Die Männer auf dem Wrack sprangen auf und klopften einander auf die Schultern, als hätten sie allein dieses Wunder vollbracht.
    Der Sturm indes zeigte sich gar nicht angetan von den Geschicken der Menschen und heulte über Deck, als sei er noch zorniger geworden. Hayden hätte fast den Halt verloren und musste sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Böen stemmen. Um ihn herum rutschten die Männer über das Deck und klammerten sich an die Kameraden, während der Wind ihnen durch die nasse Kleidung fuhr.
    Den Männern blieb keine andere Wahl, als sich flach aufs Deck zu legen, um wenigstens vor dem scharfen Wind geschützt zu sein. Die See schien tief Luft zu holen und auszuatmen, als die Wellen mit Wucht gegen den Rumpf schlugen und das Wrack jedes Mal ein Stück weiter auf die Felsen schoben. Hayden hörte, dass achtern Holz barst, und Augenblicke später trieben Teile des Heckspiegels in der Gischt.
    »Gott, sie bricht auseinander!« Griffiths suchte Haydens Blick und sah aus wie ein Mann, den man verdammt hatte, in die kalte, wogende See zu springen.
    »Das Heck ist immer der anfälligste Teil eines Schiffes, Doktor, zumal es bereits von dem Beschuss arg beschädigt wurde. Uns bleiben noch etliche Stunden, glauben Sie mir, ehe wir uns Gedanken darüber machen müssen, ob ein Vierundsiebziger auseinanderbricht.«
    Dennoch starrten alle Mann an Bord mit Entsetzen in den Augen den Stücken des Heckspiegels nach. Lacrosse schleppte sich über die Planken zu Hayden. Das Haar flog ihm wirr um den Kopf.
    »Wir können kein zweites Boot zu Wasser lassen bei diesem Sturm, Capitaine Hayden!«, rief er gegen den Wind an. Seine Stimme klang heiser und brüchig.
    »Sie haben recht, Capitaine Lacrosse. Wir müssen darauf hoffen, dass sich die See ein wenig beruhigt.«
    Dumpf schlug eine Welle gegen den Rumpf und schoss die Gischt in die Luft, bevor das Wasser auf dem Deck zerlief. Hayden und Lacrosse wischten sich das Salzwasser aus dem Gesicht. Als Hayden dem Franzosen dann in die Augen sah, wusste er, dass ihre Blicke alles sagten – dass es überhaupt Männer an Land geschafft hatten, grenzte schon an ein Wunder. Und nun konnten sie nur noch hoffen, weitere dreißig Mann im zweiten Boot loszuschicken. Die Hoffnung starb zuletzt.
    Den ganzen Morgen über und bis hinein in den Nachmittag lagen die Schiffbrüchigen auf dem Deck und spürten den quälenden Durst, der viel schlimmer war als das Hungergefühl. Hayden hatte einen trockenen Hals und eine papierartige Zunge. Da es zu anstrengend war, bei diesem Wind zu rufen, hatten die meisten Männer die Unterhaltungen ganz eingestellt. Ein jeder harrte mit seinen eigenen Gedanken und Ängsten aus, doch Hayden dachte, dass nichts den Ängsten fruchtbareren Boden bot als die Untätigkeit. Hätte er das Kommando gehabt, hätte er die Männer angehalten, Flöße zu

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