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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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Wasserpegel, sodass die Männer sogar mittschiffs Mühe hätten, den Kopf über Wasser zu halten. Schlimmer war indes das Treibgut, das im Rhythmus des Wellengangs vor- und zurückgespült wurde: Fässer, die sich losgerissen hatten, Holz des Zimmermanns, Spaken des Gangspills und Lafetten der Geschütze, die so schwer waren, dass sie einen Menschen am Schiffsrumpf zu zerquetschen drohten.
    Haydens Männer schwiegen, von einer bösen Vorahnung befallen. Mit ängstlichen Blicken verfolgten sie, wohin die im Wasser treibenden Gegenstände gespült wurden. Derweil schlugen die Wellen draußen unablässig gegen den Rumpf und drückten das schäumende Wasser durch die Lecks, sodass das Treibgut vom Heck bis zum Bug mit dumpfen Lauten gegen die Beplankung schlug.
    Hayden schüttelte den Kopf und wies den Doktor und die übrigen Nichtschwimmer an, auf dem oberen Deck zu bleiben. »Sie können uns hier nicht helfen«, sagte er den Männern. »Wir haben keine Zeit, Leute zu retten, die nicht schwimmen können.«
    An der Steuerbordseite waren immer noch ein Dutzend Kanonen festgezurrt, aber an den übrigen Geschützen waren die Brooktaue gerissen, sodass weitere Schäden im Deck oder am Rumpf drohten. Da allen bewusst war, was für eine Gefahr diese Geschütze darstellten, suchten sie sich eine Stelle, wo keine Kanone mehr weggerissen werden konnte. Hayden wandte sich an Hobson und Gould. »Wir halten es höchstens zwanzig Minuten in dieser Kälte aus. Fangen wir gleich an. Aber Vorsicht. Überall treibt schweres Holz, und wenn einer von Ihnen gegen die Bordwand gedrückt wird, besteht kaum Hoffnung auf Rettung.«
    Die Midshipmen nickten stumm.
    Hayden machte den Anfang und schwamm ein paar Züge zur leewärtigen Seite des Wracks, wobei er achtgab, sich von einem halb abgetauchten Lafettenschlitten fernzuhalten. Die eisige Kälte des Wassers schnitt ihm ins Fleisch, und er spürte, wie ihm die Kraft genommen wurde. Plötzlich erfasste ihn eine Welle, raubte ihm die Luft und spülte ihn in Richtung Bug. Als die Woge zurückebbte, schlug Hayden wie wild um sich und suchte Halt. Die Angst, jetzt einen im Wasser treibenden Balken an den Kopf zu bekommen, lähmte ihn genauso stark wie die Eiseskälte. Als er wieder mit dem Kopf über Wasser war, entdeckte er seine Midshipmen, die sich irgendwo festhielten und so übel fluchten wie sonst nur der Master. Sowie sich das Wasser ein wenig beruhigt hatte, tauchten sie zu dritt ab und tasteten auf den Planken nach Werkzeug.
    Hobson tauchte zur gleichen Zeit auf wie Hayden. Beide holten sie Luft, als eine Welle über ihnen zusammenschlug. Etwas Schweres prallte gegen Hayden und drückte ihn weg, doch er tauchte erneut ab und wich dem Gegenstand aus. Wieder spülte das Wasser zurück aus dem geborstenen Heck, und Hayden hörte, wie Hobson und Gould prusteten. Nach ein paar Schwimmzügen war er bei Hobson.
    »Hab eine Axt, Sir«, brachte der Midshipman mit zittriger Stimme hervor und hielt das Werkzeug hoch. »Eine zweite liegt genau unter uns.« Er deutete die Stelle mit einer Kopfbewegung an.
    »Ich hole sie«, erwiderte Hayden. »Sie und Gould gehen wieder an Deck. Sie holen sich noch den Tod.«
    Er schaute den jungen Männern nach und wartete, bis sie in Sicherheit waren, ehe er versuchte, die Fließrichtung des Treibguts abzuschätzen. Dann holte er tief Luft und wagte sich ein letztes Mal hinab in das Eiswasser. Wenn er die Axt nicht sofort fand, musste er den Versuch abbrechen. Er konnte es nicht länger ertragen. Seine Haut brannte, seine Gliedmaßen schienen ihm nicht mehr zu gehorchen.
    Er ertastete eine Eisenkugel, ein Traubengeschoss, und gerade als er aufgeben wollte, fühlte er den Griff einer Axt. Sofort schoss er zurück an die Oberfläche und stieß sich den Kopf an einem Stück Holz. Ehe ihn die Strömung der nächsten Welle fortspülen konnte, bekam er ein Tau zu fassen, das zum Ausrennen der Geschütze gedient hatte. Ein geborstenes Fass traf ihn auf Schulterhöhe, sodass ihm beinahe die Axt aus der Hand geglitten wäre. Augenblicke später kletterte er über die nicht überspülten Decksbalken zurück zu der Leiter und gelangte aufs Deck, hinein in den Wind. Doch er hielt die Axt in der Hand.
    Hawthorne und Franks hatten derweil ihre Uniformjacken geopfert und den beiden Midshipmen um die Schultern gelegt. Zwar waren auch ihre Jacken nicht trocken, dafür aber trotzdem wärmer als die nasse Kleidung der Jungen. Franks half seinem Kapitän aus dem Uniformrock, wrang ihn

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