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Zu feindlichen Ufern - [3]

Zu feindlichen Ufern - [3]

Titel: Zu feindlichen Ufern - [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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»Er hat gar nicht geheiratet«, brachte sie mit erstickter Stimme hervor. »Es war alles eine Lüge.« Mühsam setzte sie sich wieder gerade hin, weil sie das Schreiben noch einmal lesen wollte, aber die Tränen raubten ihr die Sicht. Wortlos reichte sie den Brief ihrer Cousine.
    »Lies du, Elizabeth. Ich schaffe es nicht.«
    Elizabeth nahm den Brief und war selbst ganz gespannt, was Charles Hayden geschrieben haben mochte.
    Meine liebe Henrietta,
    ehe ich irgendetwas anderes sage, möchte ich, dass Du weißt, dass sämtliche Gerüchte, ich hätte geheiratet, während wir getrennt waren, absolut nicht wahr sind. Dazu ist es nie gekommen. Zwei Frauen, französische émigrées , Mutter und Tochter, haben diese falsche Behauptung in die Welt gesetzt und sich meines Namens bedient, um einen Berg Schulden anzuhäufen. Dadurch ist es ihnen gelungen, meinem Prisenagenten eine beträchtliche Summe abzuschwatzen. Weder Lady Hertle noch Mrs Hertle sind bereit, mit mir zu sprechen, und lesen auch meine Briefe nicht. Daher bin ich mit meiner Weisheit am Ende und überlege, wie ich Dir mitteilen kann, was sich wirklich ereignet hat. Ich bin zudem ganz erschrocken, wenn ich daran denke, wie sehr die Behauptungen dieser Frauen Dich getroffen haben müssen. Das Schlimmste an der Sache ist, dass ich auf Bitten von Sir Gilbert Elliot hin diesen beiden Frauen geholfen habe, nach England zu kommen. Der Dank für meine Mühen ist, dass sie meinen Namen missbrauchen, um Kaufleute in London zu schädigen, meinen Prisenagenten betrügen und Dir nichts als Kummer bereiten. Selten ist eine gute Tat mit so viel Hinterlist vergolten worden.
    Ich hoffe sehr, dass Du diese Zeilen lesen wirst und verstehst, dass ich Dein Vertrauen in keiner Weise missbraucht habe und dass mein Herz sich im Lauf der letzten Monate nicht verändert hat, abgesehen davon, dass es Dir nur umso mehr gehört.
    Dein Charles
    »Ich hätte nicht an ihm zweifeln dürfen«, jammerte Henrietta. »Und kein Urteil fällen dürfen, ohne ihn vorher zu Wort kommen zu lassen. Wie soll ich das jetzt je wiedergutmachen? Mein armer, lieber Charles. Ich wäre in London gewesen und hätte ihn ein letztes Mal gesehen, wenn nicht – all das geschehen wäre. Das ist mehr, als ein Herz ertragen kann, Lizzie, mehr als ein Herz ertragen kann.«
    »Wenn ich darüber nachdenke, dass ich nur die Tür hätte öffnen und ihm zuhören müssen, dann wäre das ganze Missverständnis aus der Welt gewesen …« Elizabeth konnte den Satz nicht zu Ende bringen, so verzweifelt war sie.
    Mrs Carthew saß am Kopf der Tafel und nippte an ihrer Kaffeetasse. Nur sie und ihre Nichte waren zugegen. »Wir alle tragen ein Maß Schuld in dieser unglückseligen Angelegenheit. Jeder von uns sprach mit harschen Worten von Charles Hayden – und jetzt mussten wir erfahren, dass er unschuldig ist – und leider auch tot. Nun kann keiner von uns mehr um Verzeihung bitten. Wir müssen mit der Wahrheit leben, dass wir kein Vertrauen mehr zu ihm hatten, obwohl Kapitän Hertle und Henrietta ihm stets große Achtung entgegenbrachten.«
    Elizabeth ahnte, dass die Schuld besonders auf ihren Schultern lastete. Denn keiner der Carthews, außer Henri natürlich, hatte Charles je kennengelernt, während sie ihn seit einigen Jahren kannte und ihn stets in den höchsten Tönen gelobt hatte. »Mein Mann wird mir das gewiss nie vorhalten, aber er wird enttäuscht sein, wenn er erfährt, dass ich so schlecht von Kapitän Hayden dachte. Ich fürchte, er wird mich für illoyal, wenn nicht gar töricht halten.« Sie überlegte einen Moment. »Wenn ich sie nur nie gesehen hätte …«
    »Wen, meine Liebe?«
    »Die junge Französin, diese Bourdage. Sie ist eine Schönheit und würde in jedem Salon ins Auge fallen. Nur weil sie so schön war – und allen diese Schönheit auffiel –, hielt ich Kapitän Haydens Treuebruch für möglich. Ich denke, dass nur wenige Männer dieser Dame widerstehen können. Aber offenbar hat er ihr widerstanden.«
    »Wir können jetzt ohnehin nichts mehr für Kapitän Hayden tun. Entschuldigen können wir uns nicht mehr, es sei denn in der Stille unserer Herzen. Sorgen mache ich mir um Henrietta. Sie wurde erst in die eine, dann in die andere Richtung gerissen, und ihre Gefühle werden sie überwältigt haben. Die Arme. Ganz zu schweigen von Frank Beacher, der nach all den Jahren doch noch die Sprache wiederfand. Warum er allerdings ausgerechnet jetzt, nach all dem Zögern, mit dem Antrag kommt, wird mir ein

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